Wie war das damals im Rheinland, als noch unzählige Webstühle surrten und Schornsteine rauchten? Wie sah die Arbeit an einem Dampfhammer aus und wie hat die Industrialisierung das Leben der Menschen verändert? All das kann man heute noch hautnah nacherleben: Im LVR-Industriemuseum.
Das LVR-Industriemuseum umfasst sieben Museumsschauplätze im Rheinland. In zum Teil denkmalgeschützten Fabriken wird am authentischen Ort spannend und anschaulich die Geschichte der Industrie im Rheinland und der dort beschäftigten Menschen erzählt. Dabei stehen die zentralen Branchen Metall, Textil, Papier und Elektrizität im Mittelpunkt. Zu entdecken gibt es die Zinkfabrik Altenberg und die St. Antony-Hütte in Oberhausen, die Textilfabrik Cromford in Ratingen, die Gesenkschmiede Hendrichs in Solingen, die Papiermühle Alte Dombach in Bergisch Gladbach, das Kraftwerk Ermen & Engels in Engelskirchen sowie die Tuchfabrik Müller in Euskirchen. In Oberhausen befinden sich darüber hinaus die Museumszentrale mit Direktion, Verwaltung, Depots, Bibliothek, Fotoarchiv und Werkstätten. Gründer und Träger des LVR-Industriemuseums ist der Landschaftsverband Rheinland (LVR).
Im April 2018 hat das LVR-Industriemuseum Zinkfabrik Altenberg seine bisherige Dauerausstellung „Schwerindustrie“ für anstehende Umbauten geschlossen. Die Ausstellung, die 1997 eröffnet worden war, zeigte die Geschichte der Eisen- und Stahlindustrie der Rhein-Ruhr-Region. Weit über tausend Ausstellungsstücke, darunter zahlreiche Großexponate wie ein 9 Meter hoher Schmiedehammer und eine fünfachsige Dampflokomotive, erzählten, wie die Menschen in der Schwerindustrie gearbeitet haben, wie sie in der Region lebten und wie die Industrie die Entwicklung im Ballungsraum beeinflusste.
Voraussichtlich 2025 wird das Museum in neuer Form wieder eröffnen.
In der Übergangszeit wird der Peter-Behrens-Bau, der dem LVR-Industriemuseum als zentrales Sammlungsdepot dient, für Ausstellungen genutzt.
Auf der Oberhausener St. Antony-Hütte entdecken die Besucher*innen die 250 Jahre alte Geschichte der Ruhrindustrie. Im LVR-Industriearchäologischen Park wird die einst pulsierende Eisenhütte in modernen 3-D-Animationen und Schautafeln wieder zum Leben erweckt. Vier Jahre lang wurden Mauerreste, Fundamente und Teile der Produktionsanlagen der St. Antony-Hütte vom Landschaftsverband Rheinland (LVR) ausgegraben.
Nicht weit entfernt von der St. Antony-Hütte liegt mit der Siedlung Eisenheim die älteste der zahlreichen Arbeiter*innen- und Zechenkolonien an der Ruhr. Hier fanden die Arbeiter*innen, die in den goldenen Zeiten der Ruhrindustrie in Scharen ins Revier strömten, ein Zuhause. Das LVR-Industriemuseum betreibt hier das Museum Eisenheim.
Die erste Fabrik auf dem europäischen Kontinent – sie steht in Ratingen. Heute ist die erste mechanische Baumwollspinnerei außerhalb Englands das weltweit einzige Museum, das die Verarbeitung vom Rohstoff Baumwolle zum fertigen Garn an originalgetreu nachgebauten Maschinen aus dem 18. Jahrhundert zeigt. Auch die Arbeitsbedingungen der Männer, Frauen und Kinder in den Spinnsälen sind Thema der Ausstellung in den Gebäuden, die der Fabrikant Johann Gottfried Brügelmann vor über 200 Jahren errichten ließ.
Das prachtvolle Herrenhaus Cromford neben der Fabrik war die Schaltzentrale des einst bedeutenden Unternehmens und gleichzeitig bürgerliches Wohnhaus der Brügelmanns als eine der führenden Fabrikantenfamilien ihrer Zeit. Die Ausstellung über die Lebenswelten der Familie erzählt hier vom wirtschaftlichen Handeln in bewegten Zeiten zwischen Französischer Revolution, Napoleon und neuer Bürgerlichkeit, aber auch von ganz privaten Dingen – den Lieblingsspeisen, der Jagd, Heiratsabsichten, den Dienstboten oder den Vorbereitungen für ein Fest.
Die historische Gesenkschmiede ist ein ganz besonderes Museum, denn hier wird noch richtig produziert. Hier können die Gäste erleben, wie die rot glühenden Spaltstücke unter lautem Getöse zu Scherenrohlingen geschmiedet werden, wie es knallt und bebt. Eine Museumsschere wird sogar vollständig in der Fabrik gefertigt. Schritt für Schritt lässt sich so nachvollziehen, wie sie entsteht. Der Umkleideraum mit den alten Spinden, der Waschraum, das Maschinenhaus oder das Kontor mit der klappernden Schreibmaschine – alles steht noch an seinem Platz und wartet darauf, entdeckt zu werden. Nebenan bietet die schmucke Firmenvilla von 1896 Einblicke in die Lebenswelt der Fabrikantenfamilie.
Fachwerkhäuser in einer grünen Tallandschaft, Bachläufe und ein klapperndes Mühlrad – so empfängt die ehemalige Papiermühle Alte Dombach ihre Gäste. In Deutschlands größtem Papiermuseum geht es um die Herstellung und den Gebrauch von Papier in den vergangenen 200 Jahren. Sie können das Mühlrad beim Antrieb des polternden Lumpenstampfwerks beobachten, die Entstehung einer Papierbahn auf einer Labor-Papiermaschine erleben und selbst ein Blatt Papier aus der Bütte schöpfen. Die PM4, eine Papiermaschine aus dem Jahr 1889, demonstriert mit ihren vierzig Metern Länge und fünf Metern Höhe den Fortschritt der Industrialisierung.
Auf den ersten Blick scheint es, als ob die Zeit stehen geblieben wäre: Die massigen Grauwacke-Gebäude des ehemaligen Kraftwerks Ermen & Engels säumen noch immer den früheren Fabrikhof. Auch der Schornstein des Dampfmaschinenhauses existiert noch. Und über die Eisenbahnschienen, die vom nahe gelegenen Bahnhof auf den Platz führen, könnte bald ein Güterzug mit einer Lieferung Baumwolle beim Alten Baumwoll-Lager vorfahren. Doch hier ist schon lange kein Faden mehr gesponnen worden. Heute steht das gesamte Gelände der alten Baumwollspinnerei und des Wasserkraftwerks Ermen & Engels unter Denkmalschutz. Das LVR-Industriemuseum hat im früheren Zwirnereigebäude ein Ausstellunghaus mit Denkmalpfad eingerichtet.
Zum Schauplatz Engelskirchen gehört auch der nahe gelegene Oelchenshammer. Er ist einer der letzten wasserbetriebenen Schmiedehämmer der Region.
Wie vor 100 Jahren Stoffe entstanden, können Besucher*innen bei einem Rundgang durch die ehemalige Tuchfabrik Müller erleben. Hier sieht es so aus, als hätten die Arbeiter gerade erst die Maschinen verlassen. Der vollständig erhaltene und in dieser Art europaweit einzigartige Fabrikkosmos bietet eine Reise in die Geschichte der Arbeit und der faszinierenden historischen Technik an. Beim Rundgang beginnen die rund 100 Jahre alten Textilmaschinen zu surren und demonstrieren, wie aus loser Wolle fertiges Tuch wird. Die imposante Krempelmaschine kämmt die Wolle, die mächtigen Spinnmaschinen machen daraus Fäden, die Webstühle donnern ohrenbetäubend und die schweren Webschützen schießen hin und her.