Betriebsferien: Alle Schauplätze des LVR-Industriemuseums sind vom 23.12.2024 bis einschließlich 1.1.2025 geschlossen.
Oberhausen. Zwischen roten Backsteinhäusern herrscht geschäftiges Treiben, Einkäufer sind auf dem Weg zum Markt, Nachbarn treffen sich zum Plausch am „Büdchen“, Kinder spielen auf den Siedlungswegen. Solche Szenen könnten in einer der vielen Arbeitersiedlungen des Ruhrgebietes entstanden sein. Aufgenommen wurden sie jedoch rund 8.000 Kilometer entfernt in Tongyuanju in China.
Das LVR-Industriemuseum zeigt ab dem 10. März 2017 in seiner St. Antony-Hütte in Oberhausen Fotografien des Düsseldorfer Fotografen Bernard Langerock, die Leben und Alltag der Bewohnerinnen und Bewohner der traditionellen Arbeitersiedlung Tongyuanju, einem Stadtteil der Riesenmetropole Chongqing am Jangtse, auf eindrucksvolle Weise dokumentieren.
Megacity contra Arbeitersiedlung
Chongqing liegt im Herzen Chinas in der Nähe des Dreischluchten-Staudamms. Wie viele chinesische Kommunen ist auch Chongqing durch den wirtschaftlichen Aufschwung seit den 1970er Jahren geradezu explodiert und hat sich in eine der typischen Megacitys mit Hochhausskyline, Industriekomplexen und Massenverkehr verwandelt. Im gesamten Stadtbezirk, der von seiner Fläche die Größe Österreichs hat, lebten 2010 rund 32 Millionen Menschen, im Innenstadtbereich um die 10 Millionen Einwohner. Bauland ist für diese wachsende Stadt ein rares Gut. Daher wurde die traditionelle Arbeitersiedlung Tongyuanju mit ihren schlichten doppelstöckigen Häusern und der lockeren Bebauung, die dem aufstrebenden Chongqing im Weg stand, dem Abriss preisgegeben.
Fotoserie und Installation
Der Fotograf Bernard Langerock hat im Rahmen eines Künstleraustausches zwischen den Partnerstädten Düsseldorf und Chongquing die Arbeitersiedlung Tongyuanju im Zeitraum zwischen Dezember 2013 und Juli 2015 – ein Großteil der Bebauung war zu dieser Zeit bereits abgerissen – besucht und eine Fotoserie von rund 200 Aufnahmen erstellt. Eine Auswahl von 40 Bildern widmet sich nun in der St. Antony-Hütte dem Verschwinden dieses Ortes. Dabei nimmt der Fotograf den Alltag und die verbliebenen Bewohner Tongyuanjus in den Blick, zeigt Innenansichten ihrer Wohnungen und architektonische Details wie Muster in Fensterscheiben und Bodenbeläge. Im Rahmen seines Fotoprojektes hat Langerock überdies die Installation „Cut Out Figures“ entworfen. Aus ausgewählten Fotos hat er die abgebildeten Personen herausgeschnitten, die so in ihrer Umwelt im wahrsten Sinne des Wortes Leerstellen hinterlassen. Mit dieser Aktion möchte Langerock die Bedeutung des Wohnortes für die persönliche Identität des Individuums betonen und verdeutlichen, dass Menschen, die aus ihrem Kontext gerissen werden, zu einer Art Ware werden.
Tongyuanju und Eisenheim
Über Länder- und Zeitgrenzen hinweg lassen sich erstaunliche Parallelen in Architektur und sozialem Lebensraum zwischen der Arbeitersiedlung Tongyuanju und Eisenheim, der ältesten Arbeitersiedlung im Ruhrgebiet, erkennen. Eisenheim wurde ab 1846 als Wohnsiedlung für Arbeiter vom einstigen schwerindustriellen Industriekonzern Gutehoffnungshütte (GHH) in Oberhausen gegründet. Die staatlichen Betriebe der Metallindustrie in Chongqing stellten ihren Arbeitern Wohnraum in Tongyuanju zur Verfügung. Hier wie dort entwickelten sich ein besonderes soziales und wirtschaftliches Gefüge und eine ausgeprägte Form des Miteinanders der Bewohnerinnen und Bewohner. Hierzu trug auch die auf das gemeinsame Leben ausgerichtete Siedlungsarchitektur bei.
Seit 2000 war der Abriss der Werkswohnungen in Tongyuanju entschieden und die Neubebauung schritt stetig voran. Die Siedlung Eisenheim hingegen, die in den 1970er Jahren ebenfalls neuesten städtebaulichen Entwicklungen weichen und Platz für Hochhäuser schaffen sollte, konnte durch den engagierten Protest ihrer Bewohnerinnen und Bewohner vor dem Abbruch gerettet werden. Die Siedlung blieb unangetastet, Mängel wurden beseitigt. Eisenheim wurde zu einem der ersten Meilensteine der Industriedenkmalpflege im Ruhrgebiet und darüber hinaus.
Das Konfuzius-Institut Metropole Ruhr der Universität Duisburg-Essen ist Kooperationspartner der Ausstellung.
Zur Ausstellung erscheint ein Katalog: Bernard Langerock: Tongyuanju. Leben und arbeiten in einer Arbeitersiedlung in Chongqing, China. Esslingen, Frühjahr 2017
Laufzeit: 10.03. – 15.10.2017
Öffnungszeiten: Dienstag – Freitag 10 – 17 Uhr, Samstag – Sonntag 11 – 18 Uhr,
Geschlossen: Karfreitag 14.04., Ostermontag, 17.04. und Pfingstmontag, 05.06.2017
Eintritt: 5 €, erm. 4 € , ab 10 Personen 4,50 € (inkl. St. Antony-Hütte & Industriearchäologischer Park) Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre Eintritt frei
Besucherinfos und Buchungen von Führungen bei kulturinfo rheinland:
Tel.: 02234/9921-555 (Mo – Fr 8-18 Uhr, Sa, So und an Feiertagen 10 - 15 Uhr) oder per Mail an info@kulturinfo-rheinland.de
Die Pressebilder dürfen nur zu Pressezwecken im Rahmen der aktuellen Berichterstattung über die Ausstellung "Tongyuanju - Eine Arbeitersiedlung in Chongqing, China" des LVR-Industriemuseums St. Antony-Hütte genutzt werden. Eine gesonderte Verwendung der Fotos ist nicht erlaubt.
Blick auf die Installation, die die Form eines chinesischen Street Food-Stand aufgreift.
© Bernard Langerock