Ob Schirmmütze, Homburger, Zylinder oder Damenhüte so groß wie Wagenräder – noch vor 60 Jahren gehörte der Hut selbstverständlich mit zur Ausgehgarderobe. Kaiser und Sozialdemokrat, Unternehmer und Arbeiter, Kind und Großmutter wären ohne Kopfbedeckung nicht komplett angezogen gewesen.
„Hauptsache Hut" lautete damals das Motto der Welt, unter dem das LVR-Industriemuseum Euskirchen nun in seiner neuen Ausstellung ab dem 9. Oktober 2010 von der Kulturgeschichte dieses wandlungsfähigen Kleidungsstücks und von der großen Ära des Hutes von 1850 bis Mitte des 20. Jahrhunderts erzählt.
Zu sehen sind über 200 Hüte in allen Formen und Farben, aber auch prächtige Hutschachteln und der Ausputz, mit dem die Modistinnen die Hüte dekorierten, darunter filigrane Federn, Perlen, Bänder und Anstecker. Historische Grafiken und Fotos spiegeln zudem den Wandel von Mode und Gesellschaft seit 1850 wider und zeigen, wie die Hüte getragen wurden: Gerade oder schief, keck und verwegen oder steif und bieder?
Der Hut war und ist weit mehr als ein Modeaccessoire. Wer Hut trägt, gibt sich eine besondere Ausstrahlung und Anmutung – eben das „gewisse Etwas". Das gilt für den opulenten Damenhut genauso wie für die Melone, die Baseballkappe, das Servierhäubchen oder auch die Krone. Ob es um soziale Unterschiede oder um das Spiel der Geschlechter geht, um Zugehörigkeiten zu Berufsständen oder zu unterschiedlichen Jugendszenen – immer wieder sind es Kopfbedeckungen, die unmissverständlich Zeichen setzen. Für manch eine Persönlichkeit aus dem öffentlichen Leben ist der Hut sogar zum Markenzeichen geworden – wer kann sich Joseph Beuys oder gar Udo Lindenberg ohne Filzhut vorstellen?
Für kleine, aber auch für große Besucherinnen und Besucher bietet die Ausstellung die Möglichkeit, Hüte aus verschiedenen Zeiten aufzusetzen – und damit für Momente in fremde Rollen zu schlüpfen. Deutlich wird dabei, dass der Hut mehr ist als nur modisches Beiwerk, sondern den Gesamteindruck einer Person ganz und gar verändern kann. Je nach Hut wirkt man plötzlich streng, sportlich oder auch verführerisch. Daneben sind zahlreiche Hüte aus der Region zu sehen – und die ganz besonderen Geschichten zu hören, die Menschen mit ihnen verbinden.
Als weiteres Highlight zeigt die Ausstellung einen bewegenden Film über einen Hutmacher der alten Schule, der noch alle Arbeitsschritte der Hutherstellung in bedächtiger Handarbeit durchführt. Der Niedergang der Hutindustrie wird durch die Bildreihe des Fotografen Lorenz Kienzle thematisiert, der im Herbst 1999 in der ehemaligen Hutmacher-Hochburg Guben die letzten Tage einer Hutfabrik dokumentiert hat. Kienzle fotografierte dort mit einer Plattenkamera, ausschließlich mit Naturlicht und langen Belichtungszeiten von 1/15 bis zu einer Sekunde. Die Ausstellung zeigt diese ruhigen und melancholischen Schwarz-Weiß-Fotos, die eine Welt im Bild festhalten, die es heute nicht mehr gibt.
Hauptsache Hut. 150 Jahre Hutgeschichte(n)
LVR-Industriemuseum, Tuchfabrik Müller
Carl-Koenen-Straße, 53881 Euskirchen
Katalog zur Ausstellung: 5 €
Dauer der Ausstellung: 9. Oktober 2010 bis 27. November 2011
Die Pressebilder dürfen nur zu Pressezwecken im Rahmen der aktuellen Berichterstattung über die Ausstellung „Hauptsache Hut" im LVR-Industriemuseum genutzt werden. Eine gesonderte Verwendung der Fotos ist nicht erlaubt.
(c) LVR-Industriemuseum
Zwei Mädchen mit Hüten, um 1919. Ein Hut macht aus einem Mädchen eine Dame von Welt.
(c) LVR-Industriemuseum
Topfhut, Zylinder, Federhut. Hutmode aus den ersten 20 Jahren des 20. Jahrhunderts.
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Motorradkappe, Kreissäge Damenhut. Hutmode aus den ersten 20 Jahren des 20. Jahrhunderts.
(c) LVR-Industriemuseum
Modegrafik aus dem Jahr 1903: „Revue des Modes Parisiennes". Die Dame von Stil trägt auch bei einem Ausstellungsbesuch Hut.