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Gehäkelter Büstenhalter

1920 – 1929

Gehäkelter Büstenhalter aus rosa Garn

Gehäkelter Büstenhalter,1920 - 1929, Kunstfaser, Gummiband, Kunststoff, 71 x 13,5 cm, Inv.-Nr.: ra 00/637 © LVR-Industriemuseum, Foto: Jürgen Hoffmann

Rückenansicht des Büstenhalters, er ist mit Gummibändern verschlossen

Bis in die 1920er Jahre sollte die weibliche Unterwäsche nicht nur den Körper wärmen und schützen, sondern darüber hinaus mit Hilfe von Korsetts, Schnürungen und Polstern dem jeweils aktuellen Ideal der Mode anpassen. Dann kam der Wandel: Endlich gab die Unterwäsche den Frauen genug Luft zum Atmen und Bewegungsfreiheit!


Jahrhundertelang wurde der weibliche Körper optisch in Ober- und Unterkörper unterteilt. Die Betonung lag auf der schmalen Taille und der gehobenen Brust. Harte Korsettstangen, lange Schnürungen und Reihen von Haken und Ösen unterstützten die stark formende, einengende Unterwäsche. In den 1920er Jahren änderte sich die Silhouette: Die Frau sollte nun einen knabenhaften, schlanken Körper mit einer unsichtbaren Taille und flachem Busen haben.


Den hier gezeigten Büstenhalter hat sich vermutlich eine junge Frau aus Kunstseidengarn gehäkelt. Der an zwei kleine Zierdeckchen erinnernde BH ist kein stützendes, formgebendes Wäschestück mehr. Er dient vorrangig dazu, den weiblichen Busen zu bedecken.


Im Rücken wird dieser BH durch geknöpfte Gummibänder geschlossen. Elastische Rückenverschlüsse waren eine wichtige Neuheit. Sie versprachen einen straffen Sitz und zugleich eine freie Atmung. Der weibliche Körper sollte sich ohne Zwänge bewegen können. Dies entsprach zum einen den damals aktuellen Forderungen der Medizin, ebenso verlangte dies aber auch das neue Leben der Frau in Beruf und Freizeit. Luft an den Körper zu lassen war „modern“ und galt als hygienisch.


Auch die für Unterwäsche verwendeten Materialien änderten sich. Anstelle von schwerem Leinen- oder Baumwollstoff wurden nun dünnes Trikot, Netzstoffe, zarter Batist oder Kunstseide verarbeitet. Aus der neuen, günstigen Kunstseide ließ sich ein leichtes, schimmerndes Gewebe herstellen, das sich wie eine zweite Haut sanft an den Körper schmiegte.


Da die Unterwäsche nun nicht mehr aus vielen komplizierten Schnittteilen bestand und auch das Einarbeiten von Korsettstangen und Schnürungen entfiel, ließ sie sich leicht selber schneidern. Schnittmuster und Anleitungen fand man in Handarbeitszeitschriften und günstige Kunstseidengarne zum Sticken und Häkeln gab es in vielen Farben. Das Lachsrosa lag genau im Trend der angesagten Pastelltöne, die das früher übliche Weiß der Unterwäsche verdrängten.


Nicht zuletzt steht der BH mit seiner einfachen Herstellung und dem günstigen Material für eine gewisse Demokratisierung in der Mode: Dank der Kunstseide konnte sich nun jede Frau ihren kleinen Traum von Luxus erfüllen.


Weitere Informationen zur Ausstellung Nützlich & Schön. Produktdesign von 1920 bis 1940


Caroline Lerch


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