Das Jahr 1919 steht für einen radikalen Neuanfang in Deutschland. Angespornt durch den politischen Systemwechsel, will das Staatliche Bauhaus, eine Arbeitsgemeinschaft von Künstler*innen und Handwerker*innen, eine neue Formensprache schaffen, die den Anforderungen von Industrie und Massenproduktion genügt. Das Bauhaus liefert wichtige Impulse für Design, Kunst und Architektur, die bis heute nachwirken. Die Ausstellung zeigte, wie sich in dieser Zeit die gesamte Warenwelt zunehmend veränderte.
In den 1920er Jahren kommt es zu einer wahren „Materialexplosion“. Neue Kunststoffe werden entdeckt: PVC, Plexiglas, Nylon und Perlon läuten neben dem damals bereits bekannten Phenoplast wie z.B. Bakelit die „Plastifizierung“ vieler Lebensbereiche ein. Im Bereich der Metalle erlebt der bereits 1912 von der Fried. Krupp AG aus Essen als Patent angemeldete rostfreie Stahl, besser bekannt unter dem Markennamen „Nirosta“, seinen Durchbruch. Das im industriellen Maßstab hergestellte Aluminium tritt seinen Siegeszug an als das „Metall der Moderne“. Auch traditionelle Werkstoffe wie Glas, Keramik und Holz können in vielen Anwendungsbereichen ihre Position behaupten und „gehen mit der Zeit“.
Mit den schlichten und zweckmäßigen Möbeln der Deutschen Werkstätten Hellerau und den neuartigen verchromten Stahlrohrmöbeln entsteht ein völlig neues, luftiges Wohngefühl. So zeigte die Ausstellung z.B. den Stahlrohrstuhl Wassily von Marcel Breuer. In der Küche wird zunehmend mit Töpfen aus Aluminium hantiert. Zur schnellen Reinigung kommt der handliche Staubsauger „Saugling“ zum Einsatz, dessen Materialmix aus Bakelit und verchromtem Metall für den rationalisierten Haushalt jener Jahre steht. Die Menschen essen immer häufiger von schnörkellosem Geschirr aus Pressglas, das u.a. von der Oberhausener Glasfabrik hergestellt wird. Darüber hinaus wurden verschiedene Glasobjekte von Wilhelm Wagenfeld vorgestellt.
Man wärmt sich am Dauerbrandofen in modernem Design von Walter Gropius, und Kinder spielen mit dem neuartigen Metallbaukasten „Elex“ der Firma Märklin. Auch in der Freizeit spiegeln sich neue Entwicklungen wider: Für den Fotoapparat „Agfa Box 14“ bekannt unter dem Namen „Trolix“, fand der neue Press-Kunststoff Trolit der Dynamit AG aus Troisdorf Verwendung. Und am Abend zieht sich die Frau das Tanzkleid mit dem typischen geraden, lockeren Schnitt an, das über und über mit Pailletten aus Celluloid bestückt ist.
Neue Formen und Werkstoffe erobern auch Bereiche wie den Verkehr oder den Sport. Im Zeichen einer zunehmend mobilisierten Gesellschaft wird die Ausstellung sowohl Automobilteile und -motoren aus Aluminium als auch Teile aus dem Flugzeugbau wie Propeller und Bauelemente eines Luftschiffs präsentieren. Der Fackelhalter des Olympischen Fackellaufs aus dem nicht rostenden Stahl Nirosta V2A, den die Firma Krupp 1936 für das sportliche Großereignis in Berlin stiftete, bot sich als herausragende Werbeplattform für den neuen Werkstoff Edelstahl an.
Die Ausstellung präsentierte über 500 höchst unterschiedliche Gebrauchsgegenstände aus den Bereichen Haushalt, Wohnen, Hygiene, Freizeit, Mobilität, Arbeit und Produktion. Diese Warenwelt unterscheidet sich am Ende der 1930er Jahre deutlich von den Formen und Werkstoffen der Vorkriegsjahre und verändert den Alltag der Menschen in vielfältiger Weise. Formen und Materialien dieser Gebrauchsgegenstände prägen unser tägliches Leben bis heute.
Die Ausstellung war Teil des Jubiläumsprogramms „100 jahre bauhaus im westen“, das das NRW-Ministerium für Kultur und Wissenschaft gemeinsam mit den Landschaftsverbänden Rheinland und Westfalen-Lippe veranstalteten.
Zur Ausstellung ist ein Katalog zum Preis von 19,90 € erschienen.
Laufzeit:
19.5.2019 bis 23.2.2020
LVR-Industriemuseum
Peter-Behrens-Bau
Essener Straße 80
46047 Oberhausen