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Schildkröt-Puppe „Hans“ in Hitlerjugend-Uniform, Rheinische Gummi- und Celluloidfabrik, Mannheim-Neckarau, 1933 - 1936, Zelluloid, Filz, 18 x 7 x 6 cm, Inv.-Nr.: ra 11/383 © LVR-Industriemuseum, Foto: Jürgen Hoffmann
Hanna T. war 12 Jahre alt, als sie diese Schildkröt-Puppe als Souvenir geschenkt bekam. Die Puppe bewahrte sie über Jahrzehnte auf, bevor sie als Schenkung ins Museum kam.
1896 brachte die Rheinische Gummi- und Celluloidfabrik aus Mannheim die erste Zelluloid-Puppe auf den Markt und ließ diese unter dem Namen „Schildkröt“ beim Kaiserlichen Patentamt in Berlin patentieren. Das Material ermöglichte die industrielle Massenherstellung von preiswerten, im Vergleich zu Porzellan, robusten, abwaschbaren und bruchsicheren Puppen.
Die Marke „Schildkröt“ gehörte schnell zu den beliebten Kinderspielzeugen, so dass die Firma ständig neue Modelle entwickelte. Sie passte diese den Körperidealen und Moden der Zeit an. Zum Beispiel entsprach in der NS-Zeit die sonnengebräunte Ausführung dem Ideal der „arischen Herrenrasse“.
In den 1930er Jahren waren in deutschen Kinderzimmern die Modelle „Hans“, „Bärbel“, „Christel“ und „Inge“ am beliebtesten und es gab auch eine Sonderedition: „Hans“ als Hitlerjunge. Der kleine blonde Junge ist mit einer HJ-Uniform in Filz gekleidet. Die Puppe weist alle wichtigen Kennzeichen der Uniform auf: braunes Hemd, braune Hose und Mütze, Koppel mit Schulterriemen und Abzeichen. Dass die Puppe noch aus der Zeit vor 1936 stammt, ist aufgrund der komplett braunen Uniform zu erkennen, die später verboten wurde. Seitdem war nur noch das braune Hemd mit schwarzer Hose erlaubt.
Diese Puppe ist ein gutes Beispiel dafür, dass die nationalsozialistische Erziehung über die Jugendorganisationen der NSDAP hinausging und die Kinder deren Werte Zuhause weiter spielerisch einübten.
Als die Schildkröt-Puppe „Hans als Hitlerjunge“ Einzug in die Kinderzimmer hielt, war die Firma bereits „arisiert“ und die jüdischen Unternehmer enteignet. Richard Lenel, ein Nachfolger der Firmengründer Victor und Alfred Lenel, saß zunächst noch im Aufsichtsrat der Firma, die seit 1929 zu IG-Farben gehörte. Als seine Söhne bei den Pogromen vom 9. November 1938 ins KZ Dachau verschleppt wurden, emigrierte er völlig mittellos zunächst nach England, dann in die USA. 1950, ein Jahr nach seiner Rückkehr nach Deutschland, verstarb Richard Lenel und wurde auf dem jüdischen Friedhof in Mannheim beigesetzt.
Weitere Informationen zum Ausstellungsprojekt „Glanz und Grauen - Mode im Dritten Reich“
Claudia Gottfried
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