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Grafik Industrieanlage

Postkarte „Cöln Grossstadtleben Hohe Str.“

1903 – 1914

Postkarte mit schwarz-weiß Fotografie der belebten Einkaufsmeile Hohe Straße in Köln um 1900

Ansichtskarte „Cöln Grossstadtleben Hohe Str.“, 1903 – 1914, Papier, 14 x 9 cm, Inv.-Nr.: rz 13/213 © LVR-Industriemuseum, Foto: Jürgen Hoffmann

Seit vielen Jahren gehört die Hohe Straße in Köln zu den Top 10 der meist frequentierten Einkaufsmeilen Deutschlands. Im Jahr 2014 war sie, nach der Kölner Schildergasse, mit rund 12.795 Menschen stündlich (!) auf Platz 2.


In den 1860er Jahren entstanden in der Hohe Straße erste exklusive Geschäfte wie das des Tabakhändlers Josef Feinhals mit über 1000 Tabaksorten und die zweite Einkaufspassage Deutschlands überhaupt, die Königin-Augusta-Halle, auch Hohe-Straße-Passage genannt. Sie beherbergte 55 Geschäfte und ein Café.


1902 erlebte die Hohe Straße mit der Eröffnung des Kaufhauses Tietz, ein Jugendstilbau des renommierten Architekten Wilhelm Kreis, in der Hohe Straße 43-54 eine Blütezeit. Im Jahr 1907 kam das bedeutende und heute noch vorhandene Stollwerck-Haus des Architekten Carl Moritz, Hohe Straße Nr. 160-168 hinzu.


Die Fotopostkarte des LVR-Industriemuseums bietet einen Einblick in die Hohe Straße von der südlich gelegenen Brückenstraße aus. Links ist das Familienunternehmen J.H. Becker zu erkennen. Ursprünglich war Firmengründer Johann Heinrich Becker in Hannover ansässig. Sein Sohn Paul Becker verlegte das Stammhaus 1903 in die Hohe Straße 89-91. Dort verkaufte er Stahlwaren aller Art und Bestecke. „Silber Becker“, wie das Geschäft genannt wurde, musste 2013 aus Altersgründen schließen.


Gegenüber befand sich eine Filiale des Ehepaares Josefine Ackens und Franz Bertram. Die Firma Bertram-Ackens hatte mehrere Geschäfte in Aachen, Frankfurt und in Köln. In der Hohe Straße 81 hatten sie nachweislich schon 1895 eine Filiale, in der Silbergeschirr angeboten wurde. Das Ladenlokal gegenüber dem Stahlwarenhandel J.H. Becker könnte auch als Ausstellungsraum genutzt worden sein. Das Warenangebot zur Schau zu stellen war damals eine weit verbreitete Marketingstrategie. Das Familienunternehmen Bertram-Ackens verkauft heute Lederwaren in Aachen.


Das Interesse des Fotografen galt jedoch vor allem dem geschäftigen Treiben in der Straße und den vielen unterschiedlich gekleideten Menschen. Um das Bild lebendiger zu machen, hat er die Passanten im vorderen Bildteil fotomontiert. Die Damen links haben sich zum Einkaufsbummel herausgeputzt. Die eine der beiden trägt einen karierten Rock, eine helle Bluse, einen opulenten Hut und einen Nerz um den Hals. Sie hakt sich freundschaftlich bei einer anderen Dame ein, die modisch, aber etwas schlichter gekleidet ist.


In der Mitte fährt ein Bote und rechts überquert ein Dienstmädchen mit einem Päckchen in der Hand die Straße. Im Hintergrund sind Fahrradfahrer, Transporteure mit Holzwagen oder Herren in Anzügen zu sehen. Die Menschen gehen ihren Geschäften nach oder ergehen sich in Müßiggang.


Das Großstadtleben um 1900 war eine Sehenswürdigkeit. Es faszinierte viele Menschen, die sich eine bessere Zukunft erhofften. Köln hatte im Jahr 1900 schon 372.229 Einwohner mit einem jährlichen Zuwachs von etwa 10.000 Einwohnern bis zum Ersten Weltkrieg. Leni, die die Postkarte geschrieben hat, wohnte vermutlich in Köln. Vielleicht kam sie wie der Adressat Sepperl aus Mindelheim/ Bayern mit 5.931 Einwohnern. Wie es ihr in Köln erging, berichtet sie nicht, doch zeigt sie uns heute mit dieser Karte, dass Modernität und Wohlstand schon Anfang des 20. Jahrhunderts einen besonderen Stellenwert in der Gesellschaft hatten.


Weitere Informationen zum Ausstellungsprojekt „1914 – Mitten in Europa“


Regina Weber


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