Indisches Kasten-Charkha, 1980 - 1989, 80 x 30 x 18 cm, Inv.-Nr.: ra 98/228, © LVR-Industriemuseum, Foto: Jürgen Hoffmann
Die ersten europäischen Fabriken im 18. Jahrhundert waren Baumwollspinnereien, aber das klassische Land der Baumwolle war das ferne Indien, wo hochwertige Baumwolltextilien im Hand- und Manufakturverfahren hergestellt wurden.
Baumwollstoffe ließen sich im Gegensatz zu Leinen oder Wolle, den bis ins 18. Jahrhundert üblichen Stoffen, gut bedrucken. Nachdem die Portugiesen den Seeweg nach Indien erschlossen hatten, wurden bedruckte Stoffe importiert und Mitte des 17. Jahrhunderts zum gebräuchlichen Modeartikel des Adels und der wohlhabenden Bürger. Die Gewinnspannen der sogenannten „Indiennes“ waren so hoch, dass man begann, diese Stoffe in Europa zu imitieren, zunächst durch bedruckte indische Rohtuche, später durch eigene Herstellung bedruckter Stoffe. Mit der Einführung der mechanischen Spinnereien in England war diese Entwicklung technisch abgeschlossen.
Mitte des 18. Jahrhunderts war Großbritannien die bestimmende Kolonialmacht und Indien wurde zum Ausfuhr- und Einfuhrland, auch für englische Baumwollfertigprodukte. Auch darum wurde der indische Kampf um Selbstbestimmung geführt, der unter der Führung von Mahatma Gandhi nach dem Ersten Weltkrieg seinen Höhepunkt erreichte. Gandhis Idee von einem gewaltlosen Weg in die politische Selbstständigkeit setzte auch auf wirtschaftliche Unabhängigkeit von der Kolonialmacht und den Verzicht auf englischen Importe.
Mit der Verwendung eines einfachen Spinnrades, das sich auch arme Bauern leisten konnten, sollte Indien von britischen Importen wieder unabhängig gemacht werden. Bewusst stellte Gandhi die massenhafte Handarbeit in den Dörfern Indiens den städtischen Produktionsweisen der Industriestaaten gegenüber. Gleichzeitig sollte das Spinnen demonstrativ in der Öffentlichkeit, zu jeder Zeit und an jedem Ort möglich sein. Darum musste das Spinnrad klein und transportabel sein.
Das Spinnen mit dem „Charkha“ (Hindi: drehendes Rad) wurde so zum Symbol des Widerstandes gegen die Kolonialmacht England. Nach der Unabhängigkeit Indiens im Jahre 1947 behielt das Charkha seine symbolische Bedeutung, gleichzeitig ist es aber ein Produktionsmittel geblieben, mit dem vor allem Kinder zum Lebensunterhalt ihrer Familien beitragen.
Eckhard Bolenz
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