Hundewagen zum Transport von Roh- und Stahlwaren, Hersteller unbekannt, Vorbesitzer Gesenkschmiede Karschöldgen, Solingen, um 1910, Stahl, Holz, Leder, 93 x 85 x 120 (180 cm mit Deichsel), ca. 100 kg, Inv.-Nr.: sg 87/108 © LVR-Industriemuseum, Foto: Jürgen Hoffmann
Solinger Schneidwaren entstanden seit jeher in einer Arbeitsteilung von weitläufig ums Stadtgebiet verstreuten Produzenten. Hierbei mussten die schweren Halbfertigwaren über große Entfernungen, oft im unwegsamen Gelände, transportiert werden - eine Aufgabe, die in der Regel die sogenannten „Solinger Lieferfrauen“ mit auf den Köpfen getragenen Körben übernahmen. Auf geeigneten Straßenabschnitten kamen jedoch auch Hundewagen zum Einsatz.
Hundewagen oder -karren gehörten Anfang des 20. Jahrhunderts zum alltäglichen Solinger Stadtbild: Mit den Karren wurden Schneidwaren zwischen den Werkstätten der Schmiede, Schleifer und Reider transportiert. Bei der Amtspolizeibehörde beantragten die Besitzer einen Erlaubnisschein für die Haltung eines Ziehhundes. Die Behörde untersuchte die Tauglichkeit des Hundes und gab einen gekennzeichneten Maulkorb aus.
Der Erlaubnisschein wurde jährlich verlängert. Er enthielt neben einer kurzen Beschreibung des Hundes auch den Namen des Besitzers und das zulässige Zuggewicht. Eine Polizeiverordnung von 1870 legte zudem fest, dass die Ziehhunde an der Leine zu führen und beim Halt auszuspannen seien. Der Transport von Personen sowie die Benutzung des Bürgersteiges waren nicht erlaubt. Vor dem Ersten Weltkrieg waren allein in Solingen-Höhscheid 15 Ziehhunde aktiv. Noch 1915 beantragte der Fabrikant W. Schlösser die Genehmigung einer Ziehhundkarre für den Transport von Säbelscheiden.
Der Hundekarren des LVR-Industriemuseums stammt aus einer Ohligser Gesenkschmiede und wurde ab etwa 1910 bis in die 1920er Jahre für die Auslieferung von Scherenrohlingen benutzt. Die Haltung von Ziehhunden beschränkte sich aber nicht allein auf Solingen. In ganz Deutschland waren Hunde als Zugtiere für Milch-, Bäcker- und Metzgerkarren oder Lumpenwagen bis in die 1930er Jahre üblich. Die Beschwerden der Tierschutzbewegung, die in immer neuen Eingaben ein Verbot der Ziehhunde forderte, und die wachsende Verbreitung von Traktoren und Kleintransportern setzten der Mühsal der Tiere schließlich ein Ende.
Weitere Informationen zum Ausstellungsprojekt „erfindungsreich – Eigenbauten und Flickwerk“
Jochem Putsch
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