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Sans Ventre-Abendkleid

1900 - 1910

Violett-schwarzes Abendkleid aus Seide und Tüll an einer Figurine

Sans Ventre-Abendkleid, 1900 - 1910, Seidentaft, Seidenfaille, Metallperlen, Tüll, Metallgimpenstickerei, 45 x 80 cm (Oberteil), 130 x 110 cm (Rock), Inv.-Nr.: ra 00/29 © LVR-Industriemuseum, Foto: Jürgen Hoffmann

Das violette Kleid zeigt in perfekter Weise das Modeideal um 1900. Der weich fließende Stoff und die Ornamentik des Rocks entspricht der Idee des Jugendstils.

Das Festkleid ließ sich eine Düsseldorferin anlässlich der Hochzeit ihres Sohnes in Hannover auf Maß anfertigen. Sie wählte altersgemäß die violette Farbe, die älteren Frauen vorbehalten war. Der Körper wird extrem zu einer Sanduhrsilhouette mit betonter Brust und Po geformt.

Das Abendkleid entspricht in seiner Form perfekt der Sans Ventre-Mode zwischen 1900 und 1910. Bis in die 1890er Jahre dominierte das etablierte, alte Bekleidungsschema, wie es das Bürgertum im Laufe des Jahrhunderts entwickelt hatte: lange, hochgeschlossene Schleppkleider aus oft schweren Stoffen in ausladenden Formen, die an Barock, Rokoko und Renaissance erinnerten. Darunter das formende Korsett, das für eine schlanke Silhouette sorgte.

Um 1900 hatte diese Kleiderform mit dem steifen Sans Ventre-Korsett – ohne Bauch - ihren Höhepunkt erreicht: Der Bauch wurde nach innen weggedrückt, der Po rausgeschoben, der Rücken ins Hohlkreuz gezwungen, sodass eine extreme S-Form entstand. Kombiniert mit dem unten weit aufspringenden Rock entstand nun eine Silhouette, die den geschwungenen und wellenförmigen Linien des Jugendstils entsprach. Auch wenn die Sans Ventre-Linie als extrem gesundheitsschädlich galt – nicht umsonst hieß sie auch „ohne Kind“ – blieb sie über mehrere Jahre die verbindliche Modelinie.

Dem Jugendstil entsprechen nicht nur die Form, sondern auch die florale Ornamentik und die Stoffwahl. Die transparente Doppellagigkeit der Stoffe, glänzender Taft und matter Tüll, löst die Fläche auf und wirkt fließend. Das ganze Kleid lässt die Frau als Sinnbild der Natur erscheinen, wie es kennzeichnend für die Kunstrichtung des Jugendstils war.

Weitere Informationen zum Ausstellungsprojekt „Reiz und Scham – Kleider und Körper seit 1850“

Claudia Gottfried


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