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Grafik Industrieanlage

Offene Damenunterhose

1900 – 1910

Offene Unterhose für Frauen an einer Schneiderpuppe in der Vorderansicht

Offene Damenunterhose, 1900 – 1910, Häkelspitze, Baumwolle, 65 x 80 cm, Inv.-Nr.: ra 13/990 © LVR-Industriemuseum, Foto: Jürgen Hoffmann

Diese Unterhose besteht lediglich aus zwei knielangen, halboffenen Beinlingen, die über ein Bündchen miteinander verbunden sind, so dass die Hose im Schritt offen ist.

Offene Unterhose für Frauen an einer Schneiderpuppe in der Rückansicht

Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts trugen Frauen solche Beinkleider – die ersten Unterhosen. Als männlich konnotiertes Kleidungsstück hatte sich die Hose für Frauen nur zögerlich durchgesetzt. Sie galt zunächst als höchst anstößig, so dass man sie nicht beim Namen nennen mochte. „Die Unaussprechliche“ – mehr brachte man nicht über die Lippen. Aber nur kurze Zeit später war es unanständig, keine Unterhose zu tragen!


Die im Schritt offene Unterhose wurde von Frauen über einen langen Zeitraum getragen und sie hielten auch hartnäckig an ihr fest, als es bereits geschlossene Modelle gab. Vor allem die Vertreter der Reformbewegung plädierten für die geschlossene Unterhose, da sie besser vor Kälte schütze. Um ihren Wärmehaushalt zu regulieren, würden Frauen lieber unzählige Unterröcke als eine geschlossene Unterhose tragen, bemängelten sie. Es kam noch ein weiterer Kritikpunkt hinzu, der die Fabrikarbeiterinnen betraf: Sie waren häufig erheblichem Dreck und Schmutz, schädlichen Dämpfen oder Chemikalien ausgesetzt und da bot „dieses unästhetische Untergewand mit dem Schlitze“ keinen ausreichenden Schutz.


Der Arzt Max Hirsch schilderte 1919 beispielsweise die gesundheitlichen Gefahren in der Tabakindustrie und forderte entsprechende Schutzmaßnahmen: „Der Reizung der Schleimhäute der Geschlechtsorgane durch den scharfkantigen und ätzenden Tabakstaub muß durch Entstaubungsanlagen vorgebeugt werden. Sehr wirksam und leicht durchführbar ist die Bestimmung, daß die Arbeiterinnen geschlossene Beinkleider, am besten geschlossene Hemdhosen zu tragen haben. […] Die Hartnäckigkeit, mit welcher die Genitalkatarrhe der Tabakarbeiterinnen der Behandlung trotzen, ist darauf zurückzuführen, daß der Staub sich täglich von neuem auflagert“.


Nach und nach setzte sich über die ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts die geschlossene Unterhose durch und verlor dabei zunehmend ihre Weite, um sich der neuen Mode der Oberbekleidung anzupassen.


Weitere Informationen zum Ausstellungsprojekt „Die Macht der Mode – Zwischen Kaiserreich, Weltkrieg und Republik“


Christiane Syré


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