Kostüm einer Radfahrerin mit Schnürstiefel, 1895 - 1900 (Rekonstruktion Kostüm 2015), Wolle, Leder, Baumwolle, 158 x 58 x 36 cm (Kostüm), 41 x 19 x 28 cm (Stiefel), Inv.-Nr.: ra 15/52, rz 13/320 © LVR-Industriemuseum, Foto: Jürgen Hoffmann
Für Frauen eröffnete das Fahrrad um 1900 neue Freiheiten, auch was das Tragen von praktischer und bequemer Bekleidung betraf. Zum ersten Mal trugen Frauen in der Öffentlichkeit Hosen.
Dass Frauen Fahrrad fahren, fand aufgrund der Kleidung zahlreiche Kritiker. Anstelle der Röcke wählten einige Radfahrerinnen Pluderhosen oder weite Hosen und Stiefel, um nicht in der Fahrradkette hängen zu bleiben. Mit ihrem Auftreten entfachten sie eine öffentliche Diskussion um „Rock oder Hose“.
1886 berichtete ein Zeitungsredakteur, dass Berliner Jugendliche Fahrradfahrerinnen johlend begleiteten und Bürger entweder den Kopf schüttelten oder das Tun mit Verwunderung kommentierten.
Doch die Fahrradfahrerinnen vertraten selbstbewusst ihren Standpunkt. Beispielsweise äußerte in den 1890er Jahren die Berliner Fahrradpionierin Amalie Rother: „Ich bin leider nicht so romantisch veranlagt und lobe mir auf der Tour meine Hose. Die Radfahrerin ist überhaupt ein ziemlich praktisch denkendes Wesen. Und das halte ich für keinen Fehler. […] Die praktischste Tracht für die Tour ist eine Hose, nur wenig weiter, wie die moderne Herrenpluderhose.“
Ein Grund für die wachsende Akzeptanz in Deutschland war die Organisation von Damenrennen ab 1893. Hier erwiesen sich das Korsett, das die Atmung einschränkte, und vor allem der lange Rock als untauglich. Wie bei diesem typischen dreiteiligen Kostüm wählten Frauen bei den Oberteilen nicht mehr die Keulenärmel (Gigot-Ärmel), da sie einen zu hohen Luftwiderstand beim Fahren erzeugten.
Die Hosen machten deutlich, wie ambivalent das Verhältnis der Frauen zu diesem Kleidungsstück war: Beim Fahren trug die Frau die Hose, nach dem Absteigen wurde der Rock über die Hose geknöpft.
Axel Heimsoth
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