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Öffnungszeiten an Ostern

Alle Schauplätze des LVR-Industriemuseums sind an Karfreitag (29.3.2024) und Ostermontag (1.4.2024) geschlossen. Am Samstag (30.3.2024) und Ostersonntag (31.3.2024) ist geöffnet.

Grafik Industrieanlage

Bolerojacke mit Kreuzstichstickerei

1930 – 1939

Weißer Boleroke mit blauer-roter Stickerei

Bolerojacke mit Kreuzstichstickerei, 1930 - 1939, Leinen, Baumwolle, Perlmutt, 41 x 74 cm, Inv.-Nr.: rz 11/806 © LVR-Industriemuseum, Foto: Jürgen Hoffmann

Diese einfach geschnittene Jacke mit kurzen Ärmeln wird offen getragen. Ihre Wirkung erhält sie durch die Kreuzstichstickerei in Schwarz, Blau und Rot entlang der Säume. Es fällt auf den ersten Blick nicht auf, aber die Jacke ist immer wieder geflickt worden, was für eine lange Tragedauer spricht. Die bestickte Jacke ist ein Beispiel für den Mangel an Textilien während und nach dem Zweiten Weltkrieg. Es ist erstaunlich, dass sie über Jahrzehnte aufgehoben wurde und ihren Weg ins Museum fand.


Kleid, Bluse oder andere Kleidungsstücke zu besticken, war schon in den 1920er Jahren beliebt und setzte sich im folgenden Jahrhundert fort. Vor allem Frauen, die über einen gut bestückten Kleiderschrank verfügten, zeigten mit dem Besticken von Kleidung, dass sie Wert auf individuelle Kleidung legten. Sie hatten zum einen die nötige Zeit und besaßen zum anderen die Fertigkeit, Teile ihrer Garderobe durch Handarbeit aufzuwerten. Weniger gut gestellten Frauen war es dagegen wichtiger zu zeigen, dass sie sich Konfektion leisten konnten und nicht auf selber angefertigte Kleidung angewiesen waren.


Auch wenn die Geschichte dieser Jacke nicht überliefert ist, so liegt doch die Vermutung nahe, dass die Besitzerin zu dem erst genannten Personenkreis gehörte. Auch dass die Jacke gefüttert ist, spricht dafür. Umso verwunderlicher ist es – auf den ersten Blick – dass die Jacke immer wieder geflickt wurde. Neben mehreren Stopfstellen finden sich mit Stoffresten ausgebesserte fadenscheinige Stellen sowohl beim Oberstoff als auch beim Futter. Manche Beschädigung ist mit der Hand behoben worden, andere mit der Nähmaschine. Immer wieder wurde mit der Maschine kreuz und quer über die eingesetzten Flicken hin- und her genäht. Es wirkt etwas unprofessionell und hat nichts von dem fast „unsichtbaren“ Flicken und Stopfen, wie es die Anleitungen in den Handarbeitsbüchern vorgaben. Auf der anderen Seite wurde sorgfältig die Kreuzstichstickerei nachgearbeitet, wenn sie beschädigt war. Man erkennt dies zum Beispiel an den unterschiedlichen Blautönen des Stickgarns, das verwendet wurde.


Gehörte diese Jacke einer Frau, die Wert auf individuelle Kleidung legte und Zeit für ihre Verzierung durch Stickerei hatte? Hatte sie keine Übung im Stopfen und Flicken, weil damit in den Jahren des Wohlstands eine Flickschneiderei beauftragt worden war? Und musste sie in den Zeiten der Not während oder nach dem Zweiten Weltkrieg selbst diese Aufgabe übernehmen? Wurde die Jacke von ihr immer und immer wieder ausgebessert, weil sie nichts oder kaum anderes mehr hatte? Oder die Jacke liebte, weil sie sie bestickt hatte? Geheimnisse eines Kleidungsstücks.


Weitere Informationen zum Ausstellungsprojekt „Glanz und Grauen - Mode im Dritten Reich“


Christiane Syré


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