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Autofahrermantel für Damen

1910 – 1925

Wadenlanger, beiger Mantel mit Autofahrermütze und Schutzbrille

Mantel für Autofahrerinnen mit Autofahrermütze, 1910 – 1925, Leinen, Leder, 130 x 100 cm (Mantel), 29 x 25 cm (Mütze), Inv.-Nr.: ra 00/581 (Mantel), eu 00/568 (Mütze) ) © LVR-Industriemuseum, Foto: Jürgen Hoffmann

Seit Frauen Sport aktiv betrieben, folgte auch die Mode dem Drang nach mehr Bewegungsfreiheit. Für Modeschöpfer oder Schneider bedeutete Damensportbekleidung eine neue Herausforderung: Sie sollte praktisch und elegant sein.


Die ersten Autofahrerinnen trugen Ende des 19. Jahrhunderts Reisemäntel, die vor Regen und Staub schützten. Der Reisemantel wurde gleichzeitig „Staubmantel“ genannt. Staub und Ruß begleiteten Reisende im offenen Eisenbahncoupé, in der Kutsche sowie die wenigen Autofahrerinnen bei ihren Sportfahrten auf der Landstraße oder in den Städten. Anfangs wurden gerne Mäntel in dunklen Farben getragen, um 1900 kamen Mäntel in Staubgrau oder ungebleichtem Leinen in Mode. Die Farben waren zurückhaltend und den Straßen- und Witterungsverhältnissen angepasst.


Der Auto- und Reisemantel im LVR-Industriemuseum trägt ein typisches Merkmal der Reise- und Sportmode dieser Zeit: eine dunkelbraune Paspelierung am Kragen, an der Knopfleiste, an den Schulter- und Seitennähten sowie den Besätzen der Taschen und Ärmelaufschläge. Die braune Verzierung wird durch die Gestaltung und Farbigkeit der leinenstoffbezogenen Knöpfe wieder aufgenommen. Der Mantel ist aus leichtem Stoff und nicht gefüttert. Er hat eine ausgestellte weite Form und ist wadenlang. Hinten ist der Mantel etwas tailliert, unterhalb der Taille sitzt ein Riegel in Pfeilform. Durch diesen Schnitt wirkt das Kleidungsstück elegant, ermöglicht aber mehr Bewegungsfreiheit als normale Straßenkleidung. Da die frühen Automobile alle offen waren und jede Fahrerin unbedingt die Aufmerksamkeit auf sich zog, war der besondere Schick der Kleidung durchaus erwünscht.


In der Kaiserzeit repräsentierte das Autofahren allgemein einen exklusiven, luxuriösen Lebensstil, besonders wenn Frauen hinter dem Steuer saßen. Sie drangen in eine männliche Domäne ein und zeigten dabei Selbstbewusstsein und Abenteuerlust wie zum Beispiel Berta Benz, die 1888 die erste Autofahrt über eine längere Strecke unternahm oder Clärenore Stinnes, geboren in Mülheim an der Ruhr und Tochter des Großindustriellen Hugo Stinnes, die 1927 als erster Mensch überhaupt die Welt mit einem Auto umrundete.


Zum Mantel wurden eine Automobilkappe aus Leder und eine Schutzbrille für die Augen getragen. Das Material Leinen und die Behandlung des Stoffes weisen darauf hin, dass die Trägerin bei schönem Wetter und im Sommer unterwegs war. Auto- und Reisemäntel wurden nämlich auch aus Wolle sowie wachsimprägnierten Stoffen gefertigt. Die Stoffe mussten strapazierfähig sein, denn allein das Ankurbeln zum Starten des Wagens und das Schalten erforderten Kraft und Schwung. Die Straßen waren unbefestigt und schmutzig. Das Fahrvergnügen bestand allein darin, sich erstmals individuell motorisiert fortbewegen und sich gleichzeitig präsentieren zu können.


Als sich Mitte der 1920er Jahre Automobile mit geschlossenen Karosserien durchsetzten, trat das Erscheinungsbild des Fahrers hinter dem des Fahrzeugs zurück. Hinter dem Steuer war der Status des Automobilisten kaum mehr zu erkennen.


Weitere Informationen zum Ausstellungsprojekt „1914 – Mitten in Europa“


Regina Weber


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