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Grafik Industrieanlage

Orchestrion

1906 – 1913

Das Orchestrion „Hupfeld Universal“ trägt im unteren Teil eine Klaviertastatur und eine Mandoline und zeigt im oberen Aufsatz eine Glasmalerei eines Brunnenplatzes mit Lichtwechsel-Effekten

Orchestrion „Hupfeld Universal“ mit Lichtwechselaufsatz, Ludwig Hupfeld AG, Leipzig, 1906 - 1913, Nussbaumholz, Elfenbein, Glas, Metall, 258 x 151 x 84 cm, Inv.-Nr.: ob 89/1417 © LVR-Industriemuseum, Foto: Annette Hiller

Noch heute faszinieren Orchestrien ihre Zuhörer. Aus den selbstspielenden Musikinstrumenten erklingen Pianos, Mandolinen, Xylophone oder Geigen. Grammophon und Radio ersetzten in den 1920er Jahren die bis dahin beliebten Orchestrien, die in Theatern, Kinos und im Gastgewerbe standen.


Das Orchestrion des LVR-Industriemuseums ist ein klassisches Kneipenklavier mit zehntönigem Xylophon und einer Mandoline. Der Korpus besteht aus Nussbaumholz und ist mit einer dreiteiligen Glasmalerei sowie einer Klaviertastatur aus Elfenbein versehen. Obwohl Orchestrien in Serienfertigung hergestellt wurden, konnten sich Kunden die Ausstattung und den Aufsatz selbst zusammenstellen. In Verkaufskatalogen wurden die einzelnen Elemente angeboten. Das Orchestrion des Museums hat daher einen Aufsatz im Gründerzeitstil und einen Unterbau im Jugendstil.


Auch standen verschiedene Bildmotive für die Lichtwechselaufsätze zur Auswahl. Hier dargestellt ist ein Panorama mit einer Parkanlage und zwei Springbrunnen. In der Mitte des Platzes steht eine Triumphsäule, bekrönt mit einem Friedensengel. Im Hintergrund sind der Teil einer Stadt mit einem herrschaftlichen Gebäude und einer Kirche zu erkennen. Am zartblauen Himmel geht zwischen den Wolken die Sonne auf und taucht ihn in ein gelbliches Licht. Beim Einschalten des Instruments erscheint ein Luftschiff, das elektrisch gesteuert auf die aufgehende Sonne zusteuert. Ebenso sind die Wasserfontänen und der Sonnenschein bewegliche Szenen, die elektrisch gesteuert werden.


Beim Aufsatz handelt es sich um eine besondere Form der Glasmalerei: Um eine größere Bildtiefe und partielle Lichtdurchlässigkeit zu erreichen, wurden zwei Scheiben hintereinander gelegt. Die hintere Glasscheibe enthält jene Elemente, die lichtdurchlässig sind, wie beispielsweise den Himmel. Die vordere Glasscheibe dagegen zeigt die lichtundurchlässigen Elemente, wie die Triumphsäule oder die Bäume. Der Hintergrund wird von innen beleuchtet und die Springbrunnen wirken durch zusätzliche Lichteffekte lebendig.


Wenn Kneipenbesucher das „Hupfeld Universal“ bestaunen wollten, warfen sie Geld in einen Kasten, der auf dem Instrument stand oder an der Wand hing. Danach schaltete man einen Gas-, Wasser- oder Elektromotor ein. In diesem Museumsstück ist ein 220 Volt-Waschmaschinenmotor der Firma Miele verbaut, vermutlich geschah dies durch einen früherer Besitzer. Ursprünglich war der Motor sowohl für 110 Volt als auch für 220 Volt geeignet, da die Stromstärke vor dem Ersten Weltkrieg noch nicht normiert war.


Das Einschalten des Orchestrions löste im Inneren ein Zusammenspiel komplexer technischer Funktionen aus. Über Transmissionsriemen war der Motor mit einem Blasebalg-System verbunden, das durch das Ansaugen und Ausstoßen von Luft die Instrumente spielen und Töne erklingen ließ. Die Steuerung der Instrumente erfolgte durch eine Walze mit Stiften und wechselbaren Lochpapiernotenrollen. Die Stromversorgung der Hintergrundbeleuchtung erfolgte nicht über den Motor, sondern über ein zweites Kabel für eine Steckdose. Eine weitere Besonderheit war der Quecksilberschalter. Je nach Lage des Quecksilbers in einer Glasröhre wurde ein Kontakt hergestellt und der Stromkreis geschlossen.


Das Orchestrion wurde zwischen 1906 und 1913 gefertigt. Die Firma Ludwig Hupfeld AG aus Leipzig war mit Abstand das größte Unternehmen für selbstspielende Musikinstrumente in Europa. Seine Geschichte, der gute Erhaltungszustand und eine sorgfältige Restaurierung macht das „Hupfeld Universal“ zu einem besonderen Objekt in unserer Museumssammlung.


Weitere Informationen zum Ausstellungsprojekt „1914 – Mitten in Europa“


Regina Weber


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