Logo LVR - Qualität für Menschen
Grafik St.Antony-Hütte Museum Eisenheim Oberhausen

Deutsche Ausstellungstexte

Zitat: Pierre-Hippolyte-Leopold Paillot, ca. 1794

„Bis ins Unendliche waren nur vereinzelte, absterbende Bäume zu sehen, sowie Sandhaufen, die vom Winde weggeweht wurden und die sich zwischen einigen Wachholderbüschen und dürrem Gras ausstreckten. Selten sahen wir ein paar Strohhütten, von armen Bauern bewohnt, die das Gras mähten, um daraus ihr Feuer zu machen. Wir fuhren auf die Höhen hinauf in der Hoffnung, einen angenehmen Horizont zu entdecken. Es blieb, wie es war. So weit das Auge reichen konnte, war keine Spur von Ackerbau zu sehen. Das war wirklich eine Einöde.“

Pierre-Hippolyte-Leopold Paillot, ca. 1794

französischer Revolutionsflüchtling


Zitat: Christian Friedrich Meyer, 1794

„In der Gegend von Starkrat fangen die großen, wüsten Haiden an, welche bis eine Stunde vor Wesel fortlaufen, und den nicht mindesten Menschenfleiß zu ihrer Verbesserung anzeigen. Gleich einer Wüste Arabiens, allwo die nach Mekka wallfahrende muhamedanische Karavane nichts, als unbebaute wüste Blößen antrifft, so trifft man in dieser Gegend äußerst selten etwas anderes als Reisende. Der schlechte Sandgrund dürfte wohl bisher einen jeden abgehalten haben, eine vernünftige, zweckmäßige Verbesserung in der Benutzung zu befangen.“

Christian Friedrich Meyer, 1794

Reiseschriftsteller


Zitat: Annette von Droste-Hülshoff, 1824

„Eine trostlose Gegend! Unabsehbare Sandflächen, nur am Horizonte hier und da von kleinen Waldungen und einzelnen Baumgruppen unterbrochen. […] Aus einzelnen Wachholderbüschen dringt das klagende möwenartige Geschrill der jungen Kiebitze, die wie Tauchervögel im Schilf in ihrem stacheligen Asyle umschlüpfen […]. Dann noch etwa jede Meile eine Hütte, vor deren Tür sich ein paar Kinder im Sande wälzen und Käfer fangen […] – und wir haben alles genannt, was eine lange Tagesreise hindurch eine Gegend belebt, die keine andere Poesie aufzuweisen hat, als die einer fast jungfräulichen Einsamkeit und einer weichen traumhaften Beleuchtung.“

Annette von Droste-Hülshoff, 1824

Schriftstellerin


Die schwere Geburt der ersten Eisenhütte im Ruhrgebiet

Die Heide bei Osterfeld birgt einen Schatz – Raseneisenerz! Freiherr von Wenge will diesen heben. Er verhandelt mit den angrenzenden Staaten über die Förderung des Erzes. 1741 erlaubt ihm der Kölner Erzbischof den Abbau.

Um Eisen aus dem Erz zu gewinnen, plant von Wenge einen Hochofen. Prämien an kölnische Beamte – in Form Westfälischer Schinken – beschleunigen das Vorhaben. 1752 beginnt der Bau von St. Antony, der ersten Eisenhütte im Ruhrgebiet.

Aber ein Prozess um Wasserrechte mit der Abtei Sterkrade verzögert ihre Errichtung. Erst am 18. Oktober 1758 fließt erstes Eisen aus dem Hochofen von St. Antony. Doch Hüttenmeister und Pächter haben Schwierigkeiten: Profit wirft die Hütte erst nach 1780 ab. Und schon bekommt Wenge in unmittelbarer Nachbarschaft Konkurrenz.


Über den Krimi zum Konzern

Nach dem Tod von Wenges verkaufen die Erben 1793 die St. Antony-Hütte gleich zweimal. Mit Waffengewalt versucht sich die Essener Fürstäbtissin – Besitzerin der Hütte Neu-Essen – gegen den zweiten Käufer Pfandhöfer – Gründer der Hütte Gute Hoffnung – durchzusetzen.

Als die Fürstäbtissin durch die Französische Revolution ihr Land verliert, verkauft sie 1805 ihre Hüttenanteile den Brüdern Haniel. Hüttendirektor Jacobi war bereits zuvor Miteigentümer geworden.

Die dritte Hütte der Nachbarschaft, Gute Hoffnung, gelangt nach dem Konkurs Pfandhöfers 1798 an Helene Amalie Krupp. Diese veräußert sie 1808 an Heinrich Huyssen, Schwager der Haniels. 1810 schließen sich die vier Eigentümer zur „Hüttengewerkschaft und Handlung Jacobi, Haniel & Huyssen“ (JHH) zusammen.


Harte Arbeit, innovative Technik

80 Männer schuften 1800 auf St. Antony: beim Erzgraben und in der Köhlerei, an Erzwäsche, Pochwerken und am Hochofen, in Formerei und Gießerei. Während 30-wöchiger Kampagnen arbeiten sie rund um die Uhr in 12-Stundenschichten.

Erz kommt aus der Umgebung, Holzkohle aus umliegenden Wäldern – wird aber immer knapper. Versuche, Holz- durch Steinkohle zu ersetzen, scheitern ebenso wie Tests des preußischen Technikers Eversmann, mit Koks zu verhütten.

Doch Eversmann spioniert in England Innovationen aus, die St. Antony zu einer der führenden Hütten zwischen Wetzlar und Wesel machen: Ein Kupolofen ermöglicht es Hüttendirektor Jacobi, aus Roheisen Gusswaren in einer Qualität zu erzeugen, die selbst seinem Konkurrenten Friedrich Krupp Respekt abfordert.


Pötte, Kanonenkugeln und Maschinenteile

Die St. Antony-Hütte stellt Waren aus Eisenguss her. Nur nach 1766 verarbeitet ein Hammerwerk wenige Jahre auch zugekauftes schmiedbares Eisen. Bis 1820 und von 1827 bis 1842 erzeugt St. Antony Eisen im eigenen Hochofen. Danach ist das Werk eine Gießerei und produziert Eisenguss durch Umschmelzen im Kupolofen.

Produziert werden nicht nur Dinge des täglichen Bedarfs wie Töpfe, Pfannen und Gewichte. Auch Munition und Maschinenteile, z. B. für Dampfmaschinen, gehören zum Programm. Die Lieferungen gehen in die nähere Umgebung und in die Niederlande, auch nach Dänemark und Russland. Über die Seehäfen Hamburg und Lübeck wird die ganze Welt beliefert.

Zwischen 1820 und 1826 ist St. Antony eine Papiermühle.


1758 bis 1820

Produkte werden genormt, nach Katalog bestellt oder nach speziellen Wünschen der Kunden gefertigt. Zunächst gießt man fast ausschließlich Dinge des täglichen Bedarfs: Töpfe, Pfannen, Kessel, Bügeleisen, Mörser, Waffeleisen, Platten, Gitter, Gewichte und ähnliche Gusswaren.

Gegen Ende des 18. Jahrhunderts kommen als Produkte Öfen und Munition, ab 1800 auch Maschinenteile hinzu.


1820 bis 1826

Ab 1810 verlagert sich der Schwerpunkt der JHH nach Sterkrade. Die St. Antony- Hütte verliert an Bedeutung. 1820 wird der Hochofen ausgeblasen.

St. Antony wird zur Papiermühle, in der Carl Teschenmacher ab 1821 unter der Firma „Jacobi, Teschenmacher und Comp.“ produziert. Doch wirft das Werk keine ausreichenden Erträge ab. Teschenmacher gibt 1825 auf. Ein neuer Pächter für die Papiermühle findet sich nicht.


1827 bis 1842

1827 geht auf St. Antony eine neue Eisenhütte in Betrieb. Die Produkte ähneln denen vor 1820, doch stellt man nun mehr Öfen her. Als im 1834 gegründeten Zollverein die Maße vereinheitlicht werden, steigt die Nachfrage nach Gewichten.

Ab 1837 arbeitet eine besondere Lehmformerei für die Fertigung von Kesselröhren. 1838 kommen Gussschienen und Schienenstühle für Eisenbahngesellschaften hinzu. 1839 folgen Teile für die wenigen Lokomotiven, die die JHH in Sterkrade produziert.


1842 bis 1877

1842 wird St. Antony zur Gießerei. Ein neu errichteter, auch mit Koks zu betreibender Hochofen wird nicht mehr angeblasen.

Maschinen- und Anlagenteile, häufig für den Eigenbedarf des Unternehmens werden wichtigster Produktionszweig. Auch für den Hoch- und Brückenbau der JHH entstehen Teile. Daneben wird zeitweise die Munitionsherstellung wieder wichtig. Aus einer Hütte für Potteriewaren ist ein Rüstungsbetrieb und Zulieferer für den Maschinenbau geworden.


Es lohnt nicht mehr – Die Stilllegung von St. Antony

1876/77 erreicht die Gründerkrise das Werk. Noch wenige Jahre zuvor wurden Kupolöfen und Gießerei modernisiert. Jetzt stellt der Geschäftsbericht des 1873 in „Gutehoffnungshütte, Actien-Verein für Bergbau und Hüttenbetrieb“ (GHH) umfirmierten Unternehmens fest, dass die Gießerei auf St. Antony stillgelegt sei. Bis auf das Wohn- und Kontorgebäude, eine Werkstatt, die Lehmformerei und die Schmiede werden alle Gebäude 1880 abgerissen.

Die GHH entwickelt sich – ohne St. Antony – zum Weltkonzern. Von Kohle- und Erzförderung über Hochöfen, Stahl- und Walzwerken bis zur Herstellung von Maschinen und anderen Produkten liegt alles in einer Hand.

Und bis 2006 schlummern unter der Erde die Reste der ersten Eisenhütte des Reviers...


Die Gutehoffnungshütte - Ein fotografisches Werksporträt

Die GHH entwickelt sich ab 1873 zu einem der größten Konzerne des Ruhrgebiets. Zahlreiche Werke entstehen nicht nur rund um Oberhausen, sondern in ganz Deutschland und darüber hinaus.

Die Produktpalette reicht von Rohstoffen bis zu Spezialmaschinen, von Gussteilen bis zu Schiffen, von Niete bis zu Brücken. Zahlreiche Einrichtungen der betrieblichen Wohlfahrtspflege wie Arbeiter- und Angestelltensiedlungen entstehen.

Eine fotografische Abteilung hält ab 1889 die Entwicklung des Unternehmens fest. Das Negativarchiv mit etwa 16.000 Glasnegativen, 170.000 Planfilmnegativen und zahllosen Kleinbildnegativen übernimmt das LVR Industriemuseum 1995. Eine Auswahl an Abzügen von Glasnegativen wird hier präsentiert.


Wohnen auf St. Antony

Das heutige Museum ist das letzte Gebäude der St. Antony-Hütte. 1758 errichtet, wird es nach einem Brand 1835 wieder aufgebaut. Es besteht aus dem zweigeschossigen Wohnhaus, dem Kontortrakt mit Speicher und einem Stall.

Das Haus ist über 200 Jahre Wohn- und Arbeitsort von Direktoren und leitenden Angestellten der GHH. Dennoch zeigt es keine Zeichen bürgerlicher Repräsentation. Schließlich war es nicht für den Hüttenbesitzer, sondern „nur“ für die Hüttenmeister konzipiert.

Der Kontortrakt wird seit 1838 auch als Wohnraum für Arbeiter mitgenutzt. 1877 erfolgt endgültig die Umnutzung – ohne auf Wohnkomfort zu achten. Die kleinen Wohnungen sind nur unzureichend zu heizen.

Die 1880 zu Wohnungen umgebauten Werkstätten fallen 1969 der Abrissbirne zum Opfer.