26. Juni 2020 | Engelskirchen
Ab Sonntag, den 28. Juni 2020, stellt das LVR-Industriemuseum in Engelskirchen in kompakter Form die Geschichte der Fabrik Ermen & Engels sowie die Person Friedrich Engels junior vor.
Im Jahr 1837 gründete der aus Barmen stammende Friedrich Engels senior, der Vater des bekannten Kommunisten, gemeinsam mit seinem niederländischen Geschäftspartner Peter Albertus Ermen eine Baumwollspinnerei in nächster Nähe zur Agger in Engelskirchen. Die Standortwahl im Oberbergischen hatte mehrere Gründe: Zum einen versprach das ungewöhnlich starke Gefälle der Agger einen zuverlässigen Maschinenantrieb durch Wasserkraft. Zum anderen bewertete Friedrich Engels sen. die Armut in der Region als Standortvorteil, da infolgedessen die Arbeitskräfte auch für einen verhältnismäßig geringen Lohn arbeiteten.
In den ersten Jahren nach Fabrikgründung nutzte Engels sen. die Kraft eines Wasserrades, das einen Durchmesser von 6,5 Metern aufwies. Dadurch konnte ein komplexes System aus Wellen und Transmissionsriemen angetrieben und die Kraft des Wassers mechanisch zu den Maschinen geleitet werden. Weil diese Form der Energiegewinnung jedoch unmittelbar vom Wasserstand der Agger abhängig war, wurde in den 1840er Jahren eine Dampfmaschine als zweite Energiequelle angeschafft. Führte die Agger Niedrigwasser, so konnte die Produktion der Baumwollgarne dank Dampfantrieb dennoch weiterlaufen.
Anfang des 20. Jahrhunderts setzte bei Ermen & Engels die Elektrifizierung – und damit eine moderne Form der Energiegewinnung – ein. Mithilfe von zwei Francis-Turbinen wurde die Wasserkraft in elektrischen Strom umgewandelt. Das zuvor genutzte Transmissionssystem wurde nun durch Stromleitungen ersetzt.
Mit Friedrich Engels sen. erhielt nicht nur die industrielle Revolution Einzug in Engelskirchen. In den ursprünglich überwiegend katholisch geprägten Ort brachte Engels auch den protestantischen Pietismus. Aus seinem Nachlass wurde zwischen 1862 und 1866 die evangelische Kirche in unmittelbarer Nähe zum Fabrikgelände erbaut.
Die Arbeitsbedingungen bei Ermen & Engels im 19. Jahrhundert waren typisch für die damalige Zeit. Zwischen zwölf und fünfzehn Stunden pro Tag arbeiteten neben Frauen, die über die Hälfte der Belegschaft ausmachten, auch Kinder in der Fabrik. Ab Mitte des 20. Jahrhunderts erlebte die Textilbranche in Deutschland ihren Niedergang und verlagerte sich zunehmend ins Ausland, wo die Produktions- und Lohnkosten erheblich günstiger waren. Auch Ermen & Engels war von dieser Entwicklung betroffen und musste im Jahr 1979 seine Maschinen in Engelskirchen für immer stilllegen.
Der Sohn von Friedrich Engels sen. absolvierte in den 1840er Jahren seine kaufmännische Ausbildung bei Ermen & Engels in Manchester. Die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Textilarbeiter*innen prägten das Denken von Engels junior nachhaltig. In seinem Werk „Die Lage der arbeitenden Klasse in England“ (1845) analysierte er die sozialen und wirtschaftlichen Umstände, die mit der aufstrebenden Industrialisierung einhergehen. Sein Werk bezeichnete der Autor selbst als „Sündenregister“, in dem er das englische Bürgertum des Mordes, Raubes und anderer Verbrechen anklage.
Engels jun. war davon überzeugt, dass eine neue – kommunistische – Gesellschaftsordnung nur mit einem revolutionären Umsturz zu realisieren sei. Gemeinsam mit Karl Marx verfasste er schließlich das „Kommunistische Manifest“, begründete die Arbeiterbewegung und schloss sich den Kämpfen im Revolutionsjahr 1849 in Süddeutschland an. Nach diesen bewegten Jahren siedelte Engels jun. ins Exil nach England über. Zu Karl Marx pflegte er eine tiefe Freundschaft und gemeinsam arbeiteten sie ab den 1850er Jahren ihr kommunistisches Theoriewerk aus, das in der Herausgabe des „Kapitals“ mündete.
Neben seiner Rolle als Revolutionär und Theoretiker des Kommunismus trat Friedrich Engels jun. auch als Unternehmer auf. 1850 stieg er bei Ermen & Engels in Manchester ein; später wurde er sogar Teilhaber. Engels jun. führte ein regelrechtes Doppelleben: Einerseits umgab er sich mit Geschäftspartnern und unterhielt eine repräsentative Wohnung im Herzen von Manchester; andererseits pflegte er seine Liebesbeziehung zu Mary Burns – einer irischen Arbeiterin –, verfasste Artikel als kommunistischer Theoretiker und engagierte sich in der internationalen Arbeiterbewegung. Mit dem Geld, das Friedrich Engels jun. in der Baumwollindustrie verdiente, unterstützte er sein Leben lang Karl Marx und dessen Familie sowie weitere Freunde.
Auf knapp 100 Quadratmetern zeigt der neue Ausstellungsraum mit vielen Exponaten und Fotos sehr anschaulich die Fabrikgeschichte. Im Zentrum steht ein interaktives Fabrikmodell und mittels kurzer animierter Videos können die Besucher*innen einen Blick hinter die Mauern der Fabrik werfen und verfolgen, wie Baumwollgarn entstand. Der Raum erläutert auch die ambivalenten Sichtweisen von Vater und Sohn Engels auf die Chancen und Nachteile der Industrialisierung für Arbeiterschaft und Unternehmer. An einer Dialogwand sind dann alle gefragt, selbst zu entscheiden, was für sie wichtig ist – ob Vermögen, Erfolg, Familie oder Gerechtigkeit. Und nicht zuletzt geht es in der neuen Präsentation auch um Engelskirchen. Der Ort wurde über das international agierende Unternehmen zu einem Schauplatz der „großen“ Geschichte und verbindet sich mit anderen prominenten Stätten der Industrie- und Sozialgeschichte des 19. Jahrhunderts wie Manchester.
LVR-Industriemuseum
Kraftwerk Ermen & Engels
Engels-Platz 2
51766 Engelskirchen
Öffnungszeiten: Dienstag – Sonntag 11-17 Uhr (bis auf Weiteres)
Sonntag, 28. Juni Eintritt frei, ab 30. Juni 2 € (bis auf Weiteres)
Beim Besuch des Museums gelten Maskenpflicht und die aktuellen Hygiene- und Schutzmaßnahmen. Weitere Infos unter www.industriemuseum.lvr.de
Besucherinfos bei kulturinfo rheinland unter Tel.: 02234/9921-555 (Mo-Fr 8-18 Uhr, Sa, So und an Feiertagen 10-15 Uhr)
oder per Mail:info@kulturinfo-rheinland.de
Die Pressebilder dürfen nur im Rahmen der aktuellen Berichterstattung zum neuen Ausstellungsraum im LVR-Industriemuseum Kraftwerk Ermen & Engels in Engelskirchen genutzt werden. Eine gesonderte Verwendung der Fotos ist nicht erlaubt.
Erstlings-Garn für Babykleidung von Ermen & Engels, um 1945
© LVR-Industriemuseum
Auszug aus der Strick- und Häkelanleitung von Ermen & Engels - „Der strickende Engel“, 1950er Jahre
© LVR-Industriemuseum
Strick- und Häkelanleitung von Ermen & Engels - Der strickende Engel, 1950er Jahre
© LVR-Industriemuseum
Anette Gantenberg
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