Der Gießmeister während des Abstichs

„Der Gießmeister während des Abstichs“, so beschrieb Anne Winterer ihr Bild. Es ist ein klassisches Beispiel von Industriefotografie, denn es zeigt einen Schritt des Arbeitsprozesses im Hüttenwerk. Gleichzeitig nimmt es auch den Gießmeister in den Fokus und rückt so nahe an den Menschen heran.

Anne Winterer führte zusammen mit Erna Wagner-Hehmke von 1925 bis 1935 die „Lichtbildwerkstatt Hehmke-Winterer“ in der Bismarckstraße in Düsseldorf. Sie bedienten ein breites Spektrum an Themen. Neben Porträtaufnahmen und Landschaftsfotografien produzierten die Fotografinnen auch journalistische und dokumentarische Bilder von Feiertagen und Festen oder vom städtischen Leben. Einen bedeutenden Teil ihrer Arbeit bilden Aufnahmen von Industrie und Handwerk.

Industriefotografie und ihre Einsatzorte sind vielfältig. Fotografie wurde genutzt, um Produktions- und Arbeitsprozesse zu dokumentieren, Produkte zu bewerben oder um technischen Fortschritt oder sozialpolitische Fürsorgemaßnahmen aufzuzeichnen und das Unternehmen nach außen hin zu repräsentieren. Auch Winterer und ihre Atelierpartnerin Wagner-Hehmke fertigten Fotos von Gebäuden, Arbeitsschritten oder Fürsorgemaßnahmen von Unternehmen wie der Zeche Cleverbank in Witten oder dem Eisenhüttenwerk in Bochum. Wagner-Hehmke erinnerte sich später an schmale Laufbretter über Hochöfen oder freistehende Feuerleitern, die sie emporstieg, um dort freihändig Fotos aufzunehmen. Winterer und Wagner-Hehmke zählen zu den ersten Frauen, die als Berufsfotografinnen industrielle Arbeitsplätze von Männern und Frauen dokumentierten.

Nachdem Winterer 1935 das gemeinsame Atelier verlassen hatte, veröffentlichte sie ihre Arbeiten in ihrer Heimatstadt Konstanz unter ihrem eigenen Namen. Wagner-Hehmke führte die Lichtbildwerkstatt unter dem Namen „Hehmke-Winterer“ bis 1986 alleine weiter. Sie starb 1992 in Düsseldorf. Winterer verstarb schon 1938. Ihren fotografischen Nachlass verwaltete ihre Nichte. Bis in die 1980er Jahre wurden Winterers Bilder in unterschiedlichen Publikationen gedruckt. Heute ist ihr fotografischer Nachlass aufgeteilt zwischen dem Stadtarchiv Konstanz und dem LVR-Industriemuseum.

Thea Schneider