Grafik Industrieanlage

Reklamemarke "Sanella"

1900 - 1918

Reklamemarke von Sanella auf der eine Schwarze Person in übergroßem Anzug und mit Hut zu sehen ist, die eine packung Margarine in der Hand hält und in Richtung der Betrachter*innen schaut

Reklamemarken, Sanella, Sana-Ges. m.b.H., Grafik: J. L. Romen GmbH & Co. KG 1900 - 1918, Papier, 5,5 x 3,5 cm, Inv.-Nr.: rz 01/2006 © LVR-Industriemuseum, Foto: Jürgen Hoffmann

Ob Margarine zum Kochen oder Braten, als Pflanzen-, Halbfett- oder No-fat-Margarine in flüssiger oder fester Form, die Sortenvielfalt im Kühlregal ist groß. Doch hatte es die „Kunstbutter“ lange Zeit schwer sich gegen „echte“ Butter zu behaupten. Denn Margarine war nicht nur eine Frage des Geschmacks, sondern auch ein Symbol des gesellschaftlichen Standes.


Die einfache Bevölkerung verwendete lange Zeit überwiegend Rindertalg und Speck zum Kochen und Schweineschmalz als Brotaufstrich. Butter war für Viele kein alltägliches Produkt, bevor man seit Mitte des 19. Jahrhunderts aufgrund des Bevölkerungswachstums, des mangelnden Angebots an Fetten und Preissteigerungen nach einem billigeren Ersatz für Butter suchte.


Die ersten Fabriken zur Herstellung von tierischen und pflanzlichen Streichfetten gründeten Anton Jurgens und Simon van den Bergh in den 1880er Jahren im niederrheinischen Kleve. Der Standort der Margarinefabriken wurde unter anderem gewählt, um die niederländischen Schutzzölle für Butter und Margarine zu umgehen. Kleve war außerdem wegen seiner Nähe zum Rotterdamer Hafen ein optimaler Produktionsort. Zum einen konnten Rohstoffe wie Rinderfett aus den USA und Argentinien sowie nach 1900 Baumwollsamen, Mandeln, Palmkern- und Kokosfett aus Kolonien wie Kamerun, Togo oder Ägypten bezogen werden. Zum anderen waren die Absatzmärkte gut erreichbar. Da Margarine billiger als Butter war, wurde sie insbesondere von den Arbeitern im Ruhrgebiet und in den rheinländischen Industriegebieten gekauft. Amtlichen Schätzungen zufolge soll der Margarineverbrauch in den 1880er Jahren in der Stadt Dortmund das Dreifache des Butterverbrauchs betragen haben. Trotzdem waren die Streichfette für Viele immer noch zu teuer. Um 1910 kostete beispielsweise die Mandelmilch-Pflanzenbutter-Margarine von Sanella 90 Pf. Ein Hauer verdiente in Dortmund aber nur 6,10 Mark am Tag. Neben Geringverdienenden gehörten zu den möglichen Kunden auch Teile der Bevölkerung, die aus kulturellen Gründen oder einer anderen Lebensweise tierische Produkte wie Schweineschmalz, Rindertalg oder Speck vermieden. Dazu gehörten zum Beispiel Anhänger der Reformbewegung, Vegetarier oder Juden.


Um Margarine als neues Produkt bekannt zu machen und als Marke zu etablieren, wurde sie intensiv beworben. Ein frühes Beispiel ist „Sanella“ der Sana-Ges. m.b.H., die Simon van den Bergh 1905 markenrechtlich schützen ließ. Sanella gehörte zu den ersten rein pflanzlich hergestellten Margarinen, weshalb die Werbung auf die Abgrenzung zum Konkurrenzprodukt Butter ausgerichtet wurde und typische Bildmotive mit Bezug zu den Kolonien und anderen exotischen Ländern verwendete.


Die Werbung für Pflanzenbutter unterschied sich darin also nicht zu anderen Produkten in der Zeit um 1900. Auf den Margarineverpackungen von Sanella wurden beispielsweise Palmen abgebildet und auf Sanella-Reklamemarken war wie bei Tengelmann-Kaffee, Sarotti-Schokolade oder Immalin-Schuhcreme der sogenannte „Mohr“ zu sehen.


Der Erste Weltkrieg schränkte den Fettverbrauch der Bevölkerung stark ein. Die Lieferungen von Ölsaaten zur Margarineherstellung aus dem Ausland kamen schon 1915 zum Erliegen. Der freie Handel mit Ölen und Fetten wurde eingestellt, um den Fettbedarf des Heeres zu sichern. Darüber hinaus benötigte die Kriegswirtschaft Fette, um Glycerin für Sprengstoffe herzustellen. Erst Mitte der 1920er Jahre stieg der Pro-Kopf-Verbrauch der Margarine wieder an. Die Marktführer der Margarineproduzenten blieben die großen Konzerne von Jurgens und Van den Bergh aus Kleve.



Regina Weber


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