Euskirchen-Kuchenheim. Auf dem Hof der Tuchfabrik Müller in Euskirchen-Kuchenheim ist das Rumoren einer Dampfmaschine zu hören. Im Hintergrund rattern die Webstühle, das Hufgetrappel von Pferden nähert sich. Besucherinnen und Besucher des LVR-Industriemuseums können jetzt noch tiefer in das Geschehen eintauchen und nachempfinden, wie Mitte des 20. Jahrhunderts Schafwolle zu Tuch verarbeitet wurde.
Die „Tuchfabrik Müller“ scheint in einen Dornröschenschlaf verfallen zu sein. Alles in der Kuchenheimer Tuchfabrik steht noch so da wie im Jahr 1961, als die Tuchproduktion der Familie Müller eingestellt werden musste. Sogar die mehr als hundert Jahre alten Maschinen können die Gäste noch im laufenden Betrieb erleben. Seit Beginn des Jahres wird die Dauerausstellung, die ausschließlich im Rahmen von Führungen zu besichtigen ist, mit modernen Medien noch lebendiger gestaltet.
Dazu gehören akustische Überraschungen wie die Geräuschkulisse aus Dampfmaschine und Webstühlen ebenso wie historische Filmaufnahmen, Auszüge aus Interviews mit den damaligen Beschäftigten und Hintergrundinformationen zum Alltag in der ehemaligen Tuchfabrik. Die neuen medialen Elemente in der Ausstellung des Museums sind Teil der „Vision 2020“, die für alle sieben Standorte des LVR-Industriemuseums umgesetzt wird. Das Konzept wurde von Wissenschaftlern entworfen und mit dem Mediengestalter Christoph Strathenwerth aus Basel realisiert, um auf die aktuellen Besucher-Bedürfnisse einzugehen.
In einem ersten Schritt wurde dazu schon vor zwei Jahren die Fläche für Sonderausstellungen vergrößert. Aktuell ist dort auf 500 Quadratmetern die Experimentier-Ausstellung „Ist das möglich?“ zu sehen. „Da haben wir viel Energie reingesteckt und das funktioniert, weil jetzt alle unsere Schauplätze im Verbund des LVR-Industriemuseums gemeinsam größere Ausstellungen entwickeln“, erklärt Dr. Walter Hauser, Direktor des LVR-Industriemuseums.
In einem zweiten Schritt sollte nun die Dauerausstellung modernisiert werden. Während an anderen Standorten die Ausstellungen zum Teil komplett erneuert werden mussten, konnte das Grundkonzept der „Tuchfabrik Müller“ bestehen bleiben. „Über die Jahre ändern sich die methodischen Herangehensweisen, mit denen sich Museen präsentieren – aber in der Tuchfabrik haben wir von Anfang an eine zurückhaltende Sprache der musealen Elemente gepflegt“, erklärt Detlef Stender, Leiter der Tuchfabrik Müller.
Da die Tuchfabrik ausschließlich im Rahmen von Führungen besucht werden kann, wurde auf Texttafeln und ähnliches verzichtet. Stattdessen verlegte man alle Bemühungen darauf, die Tuchfabrik so zu erhalten, wie sie am Tag ihrer Schließung im Jahr 1961 verlassen wurde. „Das ist ein kleines Juwel, das hier erhalten wurde“, sagt Dr. Walter Hauser.
Die neuen Medien sollen nun die Führungen durch die Tuchfabrik unterstützen. So wird etwa eine alte Waschmaschine in der Nassappretur mit einer Projektion durch scheinbar plätscherndes Wasser wieder in Gang gesetzt. Audio-Einspielungen erzählen Geschichten zu den Gegenständen, die die Beschäftigten am letzten Arbeitstag in ihren Spinden zurückgelassen haben. „Mein Lieblingsstück ist eine Spiegelscherbe, die wir – zusammen mit einer Handbürste und einem Stück Seife – in einer Vitrine ausstellen. Sie zeigt, dass in der Nachkriegszeit noch jedes Bruchstück verwendet wurde“, so Detlef Stender.
An einem Webstuhl ist ein gerahmtes Portrait des Tuchfabrikanten Kurt Müller zu sehen. Auch nach Schließung seiner Fabrik hat er dort noch einzelne Tuche selbst gewebt. Über unsichtbare Lautsprecher ist ein erfundener Monolog von ihm zu hören, in dem er erzählt, was sein Betrieb nach der Schließung erlebte. Die Wissenschaftler haben überlegt, was er wohl gedacht haben könnte. Denn: „Kurt Müller ist wohl der Einzige, von dem wir keine originalen Tonaufnahmen haben“, erzählt Detlef Stender.
Auf Original-Filmaufnahmen können Besucherinnen und Besucher außerdem die Arbeit an historischen Maschinen nacherleben. Auf einem Tuch, das an einem Schaurahmen in der Nopperei hängt, sind Szenen zu sehen, wie Frauen die Endkontrolle am Tuch vornehmen. Zum Ausklang der Führung können schließlich noch die Wohnräume der Familie Müller besichtigt werden. Dort ist ein neues Modell der gesamten Anlage der Tuchfabrik zu sehen und zu fühlen. Die Besucherinnen und Besucher erfahren über Audio-Einspielungen Hintergrundinformationen aus Interviews mit den früheren Beschäftigten oder auch allgemein zur Tuchproduktion in der Region um Monschau, Aachen und Verviers.
Insgesamt acht mediale Stationen kommen nun in der Tuchfabrik Müller zum Einsatz. Rund 100.000 Euro wurden investiert, um sie im vergangenen halben Jahr zu entwickeln und umzusetzen. „Uns war wichtig, dass sie sich organisch in die Führungen einpassen lassen“, betont Detlef Stender. Dr. Walter Hauser: „Insgesamt war es sozusagen ein minimalinvasiver Eingriff – mit großer Wirkung.“
LVR-Industriemuseum
Tuchfabrik Müller
Carl-Koenen-Straße
53881 Euskirchen
Öffnungszeiten: Dienstag – Freitag 10 – 17 Uhr, Samstag – Sonntag 11 – 18 Uhr
Die Tuchfabrik Müller ist nur mit Führung zu besichtigen. Führungen (ohne Voranmeldung) durch die historische Tuchfabrik finden zu folgenden Zeiten statt:
Di - Sa 11, 14, 15.30 Uhr
So 11, 12, 13, 14, 15, 16 Uhr
Bitte finden Sie sich ca. 15 Minuten vor Beginn der Führungen im Museum ein!
Eintritt und Teilnahme an der öffentlichen Führung durch die Tuchfabrik: 7 €, erm. 4 € (Studenten, Schwerbehinderte), ab 10 Personen 4,50 € p.P.
Besucherinfos und Buchungen von Führungen bei kulturinfo rheinland:
Tel.: 02234/9921-555 (Mo – Fr 8-18 Uhr, Sa, So und an Feiertagen 10 - 15 Uhr) oder per Mail an info@kulturinfo-rheinland.de
Die Pressebilder dürfen nur zu Pressezwecken im Rahmen der aktuellen Berichterstattung zur Vision 2020 für das LVR-Industriemuseum Tuchfabrik Müller genutzt werden. Eine gesonderte Verwendung der Fotos ist nicht erlaubt.
Per Knopfdruck können Detlef Stender (rechts), Leiter der Tuchfabrik Müller, und Dr. Walter Hauser, Direktor des LVR-Industriemuseums, die alte Waschmaschine in der Nassappretur mit einer Projektion von plätscherndem Wasser scheinbar wieder in Gang setzen.
© Foto: Steffi Tucholke/pp/Agentur ProfiPress
Detlef Stender (rechts), Leiter der Tuchfabrik Müller, und Dr. Walter Hauser, Direktor des LVR-Industriemuseums, an einem beleuchteten Modell der Tuchfabrik Müller, das die Orientierung in dem räumlichen Ensemble erleichtert.
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An dem Portrait von Tuchfabrikant Kurt Müller ist ein erfundener Monolog zu hören, in dem er die Geschehnisse nach der Schließung seiner Fabrik kommentiert.
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Auf einem Tuch, das an einem Schaurahmen in der Nopperei hängt, sind Videoaufnahmen von der Arbeit an historischen Maschinen zu sehen, wie Frauen die Endkontrolle am Tuch vornehmen.
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Besucherinnen und Besucher der Tuchfabrik Müller können die Arbeit an den laufenden Maschinen beobachten – wie hier an der Spinnmaschine, dem sogenannten Selfaktor.
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Zahlreiche Details in der Tuchfabrik wurden so belassen, als hätten sich die Türen der Fabrik nicht 1961, sondern erst gestern geschlossen.
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Neue Horstationen informieren vor der Führung durch die Tuchfabrik.
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Mit einer Projektion und Toneinspielung wird eine Waschmaschine virtuell in Betrieb gesetzt.
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