Buch „Der Kriegs-Struwwelpeter – lustige Bilder und Verse“ von Karl Ewald Olszewski, Holbein-Verlag, München, 1915, Papier, 28 x 22,5 cm, Inv.-Nr.: rz 96/366 © LVR-Industriemuseum, Foto: Jürgen Hoffmann
Daumenlutscher, Suppenkasper und Zappel-Philipp sind allseits bekannte Figuren aus dem Kinderbuch „Der Struwwelpeter“. Im Ersten Weltkrieg wurden ihre Geschichten zur politischen Satire.
„Der Struwwelpeter“ entstand bereits im Jahre 1845 und wurde von dem Frankfurter Arzt und Psychiater Heinrich Hoffmann geschrieben. Seither wurde das Buch von verschiedenen Autoren, in zahlreichen Übersetzungen und internationalen Adaptionen wie „Der politische Struwwelpeter“, „Der Struwwelhitler“ oder „Der Anti-Struwwelpeter“ publiziert. Das Original enthält zehn Geschichten von vermeintlich unartigen Kindern, die drastisch bestraft werden. Hoffmann propagiert damit die autoritäre Erziehung.
Der „Kriegs-Struwwelpeter“ des in Czernowitz geborenen Kunstmalers Karl Ewald Olszewski erschien 1915 zur Zeit des Ersten Weltkriegs. Das Buch stand in der Tradition politischer und militärischer Adaptionen wie „Der politische Struwwelpeter“ (1848/49) und „Der Militär-Struwwelpeter“ (1877). Als 1914 in England mit dem Buch „Swollen-headed William"“, das sich über Kaiser Wilhelm II. lustig machte, antideutsche Kriegspropaganda betrieben wurde, konterte kurz danach der Holbein-Verlag München mit dem „Kriegs-Struwwelpeter“.
Im „Kriegs-Struwwelpeter“ werden die feindlichen Staaten des Deutschen Reiches und ihre Repräsentanten verhöhnt. Auf dem Titelblatt steht Kaiser Wilhelm II. und taucht die „bösen Buben“, den Franzmann mit der Lügenfahne, ein Synonym für den „Erbfeind“ Frankreich, den Nikolaus für Zar Nikolaus II. und den Grey, der britische Außenminister Sir Edward Grey, in ein Tintenfass.
Im Buch wird der „Struwwelpeter“ zum „Bombenpeter“, der stellvertretend für König Peter I. von Serbien steht. Aus dem mit dem Feuer spielenden „Paulinchen“ wird das französische „Mariannchen"“, das sich nicht von den preußischen und österreichischen Katzen Minz und Maunz belehren lassen möchte und verbrennt. In der „Geschichte vom Neutralitätslutscher“ repräsentiert der kleine Albert den belgischen König Albert I., der von der „Dicken Berta“, einem deutschen Geschütz der Firma Krupp, bestraft wird.
Das Buch ist ein typisches Beispiel für Kindererziehung und Propaganda im Ersten Weltkrieg. Medien, wie Bücher, wurden in dieser Zeit erstmals als weitere „Waffe“ eingesetzt.
Weitere Informationen zum Ausstellungsprojekt „1914 – Mitten in Europa“
Regina Weber
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