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Grafik Industrieanlage

Handwagen

1945

Einachsiger Handwagen aus Holz

Handwagen, Firma Kronprinz, Solingen, 1945, Holz, Stahl, 65 x 80 x 194 cm, Inv.-Nr.: sg 91/111 © LVR-Industriemuseum, Foto: Jürgen Hoffmann

Dieser Handwagen wurde nach dem Krieg von der Solinger Firma Kronprinz gebaut und den Arbeitern und Angestellten als Teil des Lohnes überlassen. Die Materialien stammten aus Resten der Kriegsproduktion. Die Räder waren zuvor für Infanteriekarren verwendet worden, die Rohre für die Kessel von Dampflokomotiven. Die Karren konnten von den Eigentümern nach deren individuellen Möglichkeiten ergänzt werden.


Im Sommer 1945 lagen Deutschlands Städte in Schutt und Asche. Köln war zu 72 Prozent zerstört, Düsseldorf zu 90 Prozent unbewohnbar. In Solingen blieben von etwa 50.000 Wohnungen nur 19.000 unbeschädigt. Der Schwarzmarkt blühte: Die Nationalsozialisten hatten die Währung ruiniert. Mehreren 100 Milliarden Reichsmark am Ende des Krieges stand kein entsprechendes Warenangebot mehr gegenüber. Es lohnte sich kaum, für Geld zu arbeiten.


Die Unternehmen gingen dazu über, die Arbeiter zumindest zum Teil in Naturalien zu entlohnen. Eine Hungersnot wurde durch strenge Rationierung von Lebensmitteln und ein festgelegtes ‚Ablieferungssoll' für die Bauern vermieden. Dennoch hat vor allem Selbsthilfe das alltägliche Leben in Gang gehalten. Züge wurden geplündert, ganze Alleen abgeholzt. Für das Kohlenklauen wurde ein neues Wort erfunden: „Fringsen“, nach dem Kölner Kardinal Frings, der für diese Art der Selbstversorgung in einer Predigt Verständnis gezeigt hatte.


Schlüsselbegriffe der Zeit beziehen sich auf Handlungen, die dazu dienten, am Rande oder jenseits der Legalität die Existenz zu sichern oder erträglicher zu gestalten: „Beschaffen“", „sichern“", „organisieren“ oder „kompensieren“ bezeichneten Formen des nicht ganz legalen Erwerbs von Lebensmitteln und anderen Gütern. Durch den Rückfall in den Zustand einer archaischen Naturalwirtschaft mit Zigaretten als „Leitwährung“ waren Gegenstände, die sich eintauschen ließen, wichtiger als das wertlose Geld. Karren jeder Art entwickelten sich vor diesem Hintergrund neben Fahrrädern, Kinderwagen und Rucksäcken zu unverzichtbaren Transportmitteln.


Willi Kulke


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