Cyanotypie „Milchausschank u. Speisesaal E O I - Portier II“, Gutehoffnungshütte AG, Oberhausen, 1911, 21 x 29,5 cm, Inv.-Nr.: ah f/6339 © LVR-Industriemuseum, Foto: Jürgen Hoffmann
Schnaps und Bier waren lange Zeit als Stärkungsmittel körperlich Arbeitender in den Betrieben selbstverständlich. Der übermäßige Konsum von Alkohol während der Arbeitszeit stellte jedoch für die Unternehmen wegen der Unfallgefahr ein enormes Problem dar. Mit der zunehmenden Bedeutung sozialer Betriebspolitik und von Arbeitssicherheitsmaßnahmen wurde Alkohol in den Betrieben durch ein breites Angebot von Milch, Kaffee, Tee und Wasser abgelöst.
Schon Mitte des 19. Jahrhunderts unternahm Wilhelm Lueg, Direktor der St. Antony-Hütte und Manager bei der Gutehoffnungshütte (GHH), Anstrengungen, die Schankkonzessionen der Stadt Duisburg in der Nähe des Oberhausener Werkes einschränken zu lassen. Die GHH kaufte darüber hinaus zahlreiche Grundstücke mit Gastwirtschaften, die dann geschlossen wurden. Im Zuge der Effizienzbewegung nach 1900 wurde Alkohol am Arbeitsplatz stark eingeschränkt und schließlich ganz verboten. Ersatzweise wurden Tee, Milch und Wasser zur Verfügung gestellt. Denn die Versorgung mit Getränken war besonders für die Arbeiter wichtig, die großer Hitze ausgesetzt waren.
Die GHH eröffnete in Oberhausen 1909/10 erste Tee- und Milchausgabestellen. Tee wurde unentgeltlich ausgeschenkt. Milch bekamen die Arbeiter zum Selbstkostenpreis von 18 Pfennig pro Liter. Bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges musste der Milchbetrieb aufgrund von Versorgungsschwierigkeiten wieder eingestellt werden und 1917 ließ die GHH statt Tee Ersatzkaffee ausschenken. Die Milchausgabestelle wurde erst 1927 nach dem Einbau entsprechender Kühl- und Wärmeanlagen wieder eröffnet.
Ab 1913 stand den Mitarbeitern auch Mineralwasser zum Preis von 12 Pfennig pro ¾-Liter zur Verfügung. Zwar hielt Paul Reusch, der Generaldirektor der GHH, die Wasserausgabe neben der Tee- und Milchausgabe nicht für zweckmäßig, aber aufgrund von Anfragen bei den Betriebsleitern und ärztlicher Gutachten über die Trinkwasserqualität blieb die Wasserausgabe bestehen.
Bis in die 1930er Jahre versorgte die GHH Arbeitnehmer und ihre Familien während der Arbeitszeit ausreichend mit Speisen und Getränken, um Krankheiten und Mangelerscheinungen durch unzureichende Ernährung vorzubeugen. Schon 1818 gab es in Oberhausen-Sterkrade eine „Brod- und Suppenanstalt“ und in den folgenden Jahrzehnten wurden weitere Speiseanstalten eröffnet. Nach 1900 gab es sogar Speisetransporte für Hütten- und Walzwerkarbeiter, für die ein Fahrdienst gegen eine Beteiligung von 2,5 Pfennige den Henkelmann von der häuslichen Wohnung zum Werk brachte. Wegen des Ersten Weltkrieges wurde der Transportservice 1915/16 jedoch eingestellt. Derartige Einrichtungen gibt es heutzutage nur noch in fernen Ländern, z.B. in Indien.
Regina Weber
Hat Ihnen das Objekt gefallen? Haben Sie weitere Informationen für uns oder eine Geschichte darüber zu erzählen?
Dann schreiben Sie an sammlung-online@lvr.de!