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Alle Standorte des LVR-Industriemuseums haben am 1. Mai von 11-18 Uhr geöffnet, ausgenommen davon sind der Peter-Behrens-Bau & der Oelchenshammer.

Grafik Industrieanlage

Gesellschaftskleid

um 1860

Blaues Gesellschaftskleid mit silbernem Streifenmuster

Gesellschaftskleid des Spätbiedermeier, zweiteilig, um 1860, Seide, Baumwolle, Taft, 105 x 140 cm (Kleid), 85 x 83 cm (Krinoline), Inv.-Nr.: ra 99/74 © LVR-Industriemuseum, Foto: Jürgen Hoffmann

Rauchende Fabrikschlote, technischer Fortschritt, rasch wachsende Städte – in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erlebte Deutschland den Aufbruch ins Industriezeitalter.


In den Gründerjahren stieg das Bürgertum zur dominierenden gesellschaftlichen Schicht auf. Es löste den Adel, der Jahrhunderte lang die Führungsposition innegehabt hatte, in seiner vorherrschenden Rolle ab. Damit etablierte sich auch ein neues Kleidungsverhalten. Es entsprach der neuen bürgerlichen Kultur und der für sie typischen Ausdifferenzierung der Geschlechterrollen. Wurden das blütenweiße Hemd, der perfekt geschnittene dreiteilige Anzug in gedeckten Farben, Mantel, Hut, Gehstock und Uhrkette nun zum Erkennungszeichen des erfolgreichen Mannes, so standen aufwändig geschneiderte und makellose Roben der Frauen für den wirtschaftlichen Erfolg ihrer Ehegatten.


Das zweiteilige Gesellschaftskleid aus leuchtend blauem Seidentaft ist typisch für die repräsentative Mode des späten Biedermeier der 1860er Jahre, wie sie zu kleineren gesellschaftlichen Anlässen, Teegesellschaften, Salons und privaten Feiern getragen wurde. Charakteristisch ist das züchtig hoch geschlossene und eng geschnürte Oberteil mit den schmalen langen Ärmeln und dem schwarzen Spitzenbesatz. Im Gegensatz dazu steht der äußerst materialintensive, überweite Rock. Als Accessoires überliefert sind ein bändergarniertes Tellerhütchen und ein klappbarer Sonnenschirm aus schwarzer Spitze.


Das Kleid war modisch hochaktuell und spiegelt gleichzeitig die neuesten technischen Erfindungen, die im Zuge der Industrialisierung die Herstellung von Kleidung revolutioniert hatten: Die langen Rockbahnen sind schon nicht mehr mit der Hand, sondern mit einer der frühen Nähmaschinen genäht; der Stoff zeigt ein so leuchtendes Blau, wie es nur mit den neuen chemischen Indanthrenfarben erzielt werden konnte; auf bunte Muster und Rüschen wurde verzichtet und die Drapierung fast faltenlos gestaltet. Und der Rock wölbt sich in seiner ganzen Stofffülle nicht mehr über mehrere Unterröcke, sondern kegelförmig über eine hochmoderne, industriell gefertigte leichte Krinoline aus Stahlreifen.


Claudia Gottfried


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