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Alle Standorte des LVR-Industriemuseums haben am 1. Mai von 11-18 Uhr geöffnet, ausgenommen davon sind der Peter-Behrens-Bau & der Oelchenshammer.

Grafik Industrieanlage

Mechanische Nähmaschine „W. Stutznäcker“

um 1900

Nähmaschine auf gusseisernem Gestell mit Trittplatte, Schwungantrieb und Arbeitsplatte

Nähmaschine mit mechanischem Antrieb, W. Stutznäcker, Dortmund, um 1900, Gusseisen, Holz, Bronze, andere Metalle, Schildpatt, 106 x 79 x 44 cm, Inv.-Nr.: eu 03/2 © LVR-Industriemuseum, Foto: Jürgen Hoffmann

Die Nähmaschine stammt aus einem großbürgerlichen Haushalt. Das gusseiserne Gestell mit geschwungenen, gold verzierten Ständern, die aufwendig gearbeitete Trittplatte mit Schwungrad, aber vor allem die Arbeitsplatte aus furniertem Holz mit umlaufendem Intarsienband und eingelegtem Schildpatt zeichnen die selten überlieferte Maschine aus. Die kastenartige Abdeckhaube ist ebenfalls reich dekoriert.


Haushaltsnähmaschinen der Dortmunder Nähmaschinen- und Fahrrad-Fabrik W. Stutznäcker sind relativ selten. Marktführer waren damals die Firmen Singer, Pfaff und Phoenix. Im Jahr 1890 existierten darüber hinaus allein in Deutschland noch etwa 70 weitere Produzenten (Mundlos, Dürrkopp u.a.). Nähmaschinen waren eines der ersten Massenprodukte für den privaten Haushalt und die Firmen entwickelten seit den 1850er Jahren gezielte Marketingstrategien zur Absatzförderung, wie z.B. den Ratenkauf. Gerade für Arbeiterfrauen bot sich auf diese Weise die Chance, nicht nur für den eigenen Bedarf zu nähen, sondern auch für andere zu schneidern oder Kleidung auszubessern. Der Lohn war ein willkommener Nebenverdienst, der der Haushaltskasse zugute kam. Für manche Frauen waren diese Formen der Schneiderei eine gute und gerade noch „standesgemäße“ Verdienstmöglichkeit. Sie konnten zum Familieneinkommen beitragen, ohne einer „öffentlichen“ Arbeit nachgehen zu müssen.


Die hier gezeigte Maschine wurde um 1900 von Xaveria Nücker angeschafft, die aus einer rheinischen Großbürgerfamilie stammte. Schon die Verzierung zeigt, dass die Maschine kein reines Arbeitsgerät war, sondern eher der bürgerlichen Repräsentation diente. Ihre Besitzerin brauchte sie, um – ganz dem Tugendbild der Zeit entsprechend – sich mit Handarbeiten zu beschäftigen, also mit Tätigkeiten, die sie als fleißige Bürgerin auswiesen. Die Maschine wurde über mehrere Generationen weitergereicht und erlebte den für diese Nähmaschinen üblichen Funktionswechsel: In Phasen wirtschaftlicher Schief- und Notlagen wurde aus dem Repräsentationsobjekt ein Gebrauchsobjekt, mit dem die Kleidung für die Familie genäht wurde.


Claudia Gottfried, Martin Schmidt


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